Frankfurt feiert die Rückkehr von Kämpfer Russ
Frankfurt/Main – Den emotionalsten Moment seiner Karriere nahm Marco Russ mit Humor. «Für solche Situationen reicht die Kraft voll aus», sagte der Rückkehrer von Eintracht Frankfurt nach seinem ersten Mini-Einsatz nach seiner Krebserkrankung.
Russ hatte in der Nachspielzeit des DFB-Pokal-Viertelfinals gegen Arminia Bielefeld nicht viel mehr als 30 Sekunden gespielt, strahlte nach seinem Comeback auf dem Rasen aber pure Glückseligkeit aus. Der erste Schritt ist gemacht, der Weg zu alter Form bleibt aber ein langer. Der Fußballprofi herzte seine weinende Frau Janina, feierte mit seiner Tochter Vida in der Fankurve und scherzte mit den Journalisten gleich über sein Comeback.
Einen Ballkontakt hatte Russ in der letzten Minute beim 1:0 gegen den Zweitligisten zwar nicht mehr. «Aber das ist mir völlig wurst», sagte er und verabschiedete sich nach einem Abend, der ganz alleine ihm gehörte. Jetzt konnten auch die beiden Trainer, Niko Kovac und Jürgen Kramny, zur Pressekonferenz gehen, nachdem sie demonstrativ gewartet hatten, bis der Mann des Tages fertig gesprochen hatte.
Neun Monate musste Russ auf diesen Moment warten. «Eine lange und harte Zeit», wie der 31-Jährige befand. Der Verteidiger spielte noch nach der diagnostizierten Krebserkrankung das Relegations-Hinspiel gegen den 1. FC Nürnberg, um die Eintracht in der Bundesliga zu halten. Erst danach sammelte er alle Kräfte, um den Krebs zu besiegen. «Gerade in so einer Situation hilft dir der Fußball nicht weiter, sondern nur die Familie, die bei dir ist», sagte Russ am Dienstagabend.
Die Eintracht stellte sich zu jeder Zeit komplett hinter ihren mittlerweile genesenen Führungsspieler und signalisierte Russ die volle Unterstützung. Im September, als noch offen war, ob und wann er auf den Rasen zurückkehren könnte, verlängerte die sportliche Führung um Fredi Bobic den Vertrag mit dem Eigengewächs. Nun das Comeback. «Ich fühle mich gut. Es ist nicht so, dass der Trainer einen in den Kader nimmt, wenn man nicht fit ist», erklärte Russ, der schon seit Januar wieder mit der Mannschaft trainiert. «Wir sind alle froh, dass er wieder gesund ist und wieder Fußball spielen kann. Die Gesundheit ist das Einzige im Leben, was wichtig ist», sagte Alex Meier.
Kürzlich hatte Kovac noch gesagt, bei dem als «Kämpfer» titulierten Defensivspieler könne es Monate bis zu einer Rückkehr dauern. «Eigentlich war es so geplant, dass er später kommt. Manchmal geht es eben anders aus, als man denkt», sagte der Eintracht-Trainer nach dem Einzug ins Halbfinale durch das Siegtor von Danny Blum (6. Minute). Sowohl Kovac als auch Russ betonten aber, dass es weiter ein langer Weg sei bis zur vollständigen Integration in die Stammelf. «Dass ich noch nicht über 90 Minuten gehen kann, ist mir schon bewusst», sagte Russ. Dafür fehle weiter Trainingspraxis.
Auch das Beispiel von seinem guten Freund Benjamin Köhler belegt, wie schwierig und langwierig eine Rückkehr in den Profifußball ist. Köhler, der ebenfalls den Krebs besiegt hatte, kehrte wie Russ unter Tränen und Standing Ovations auf den Rasen zurück. Zu mehr als zwei Kurzeinsätzen reichte es aber nicht, weitere Verletzungen machten dem Union-Profi zu schaffen.
Russ dachte im Moment des Glücks nicht nur an den weiten Weg, sondern gleich an die nächsten Aufgaben. «Wir wollen ins Finale. Noch einmal 90 Minuten, dann sind wir in Berlin», sagte er. Das Endspiel am 27. Mai steigt ziemlich genau ein Jahr, nachdem sich Russ als Patient vorerst aus dem Fußball verabschiedete.
Fotocredits: Jan Hübner
(dpa)