«Einfach nur Wahnsinn»: DEB-Team kämpft um Olympia-Medaille
Pyeongchang – Deutschlands Eishockey-Sensationssieger haben auch nach dem Olympia-Wunder gegen Weltmeister Schweden noch lange nicht genug.
Im ersten Halbfinale überhaupt bei Winterspielen am Freitag gegen Olympiasieger Kanada (13.10 Uhr MEZ) soll selbst der bislang größte deutsche Erfolg der Bronze-Medaille 1976 noch getoppt werden. «Wir haben Großes erreicht, aber es ist noch viel mehr drin», sagte Siegtorschütze Patrick Reimer nach dem 4:3 (2:0, 0:0, 1:3) nach Verlängerung gegen den großen Favoriten forsch. Nach anderthalb Minuten in der Overtime hatte der zuvor verletzte Nürnberger die zuvor nicht für möglich gehaltene Medaillenchance perfekt gemacht.
«Wir haben Eishockey-Geschichte geschrieben für Deutschland. Ich bin mächtig stolz, dass ich dabei sein darf», sagte der abgekämpfte Kapitän Marcel Goc nach dem zweiten Overtime-Sieg binnen 24 Stunden nach dem 2:1 gegen die Schweiz. «Halbfinale – allein das Wort – das ist unglaublich», stammelte Bundestrainer Marco Sturm, unter dem der wundersame Aufschwung des deutschen Eishockeys unvermindert weiter geht. Bereits bei den WM-Turnieren 2016 und 2017 hatte der deutsche NHL-Rekordspieler die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) unter die Top Acht geführt und setzte nun noch einen drauf.
Der um Zurückhaltung bemühte DEB-Präsident Franz Reindl stellte die größten Erfolg seit 42 Jahren schon über Olympia-Bronze von damals. «Deutschlands Eishockey-Nationalmannschaft ist über sich hinausgewachsen. Das ist mehr als eine Sensation», sagte der 1976 als Spieler selbst beteiligte Reindl.
Auf der Tribüne hatten etliche deutsche Athleten den ersten Sieg bei Olympia überhaupt gegen Schweden bejubelt. Auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann fieberte mit und traut dem deutschen Team nun alles zu: «Unglaublich. Wie immer, wenn es läuft, dann ist vieles vorstellbar.»
Schier endlose Sekunden hatte das Team um Matchwinner Reimer auf den Videobeweis warten müssen, dann war das Wunder perfekt. Wild hüpften und tanzten die Spieler um Torhüter Danny aus den Birken herum. «Einfach nur Wahnsinn. Was für ein Gefühl, was für ein Spiel», sagte der Münchner Meisterkeeper: «Ich hoffe, die Menschen in Deutschland verstehen auch, was für ein Riesen-Erfolg das für uns ist.»
Und der Traum geht weiter. Im Halbfinale trifft Deutschland am Freitag auf Olympiasieger Kanada, der gegen Finnland 1:0 gewann. «Es wird wieder ein hartes Spiel. Wir werden alles daran setzen», sagte Torjäger Goc. Ähnlich sah es Patrick Hager: «Wir feiern nicht, wir genießen das. Wir sind eine hungrige Truppe, wir sind ehrgeizig. Wir haben die Qualität und können bei diesem Turnier jeden Gegner schlagen. Jetzt wollen wir natürlich den nächsten Schritt machen.»
Verbandschef Reindl warnte zwar: «Kanada ist eine Highspeed-Maschine.» Doch der Ex-Nationalspieler meinte auch: «Die Mannschaft ist so fokussiert und so vom Siegeswillen geprägt, dass sie weiß, was sie tun muss, um auch gegen Kanada zu bestehen.»
In der regulären Spielzeit hatten am Mittwoch Kölns Christian Ehrhoff (14. Minute), Marcel Noebels (15.) und Dominik Kahun (49.) getroffen. Für den großen Favoriten waren Anton Lander (47.), Patrik Hersley (50.) und Mikael Wikstrand (52.) erfolgreich. Nach 1:30 Minuten in der Overtime sorgte Reimer dann für den Sudden Death der Schweden. Ausgerechnet Reimer, dessen Einsatz noch am Morgen wegen einer Verletzung nicht feststand. «Ich war heiß und habe darauf gebrannt zu spielen. Wer weiß, wann es wieder die Gelegenheit gegeben hätte, bei Olympia zu spielen», sagte Reimer.
Der 13. Sieg im 103. Länderspiel gegen die Schweden toppt die überraschende Halbfinal-Teilnahme bei der Heim-WM 2010 noch, zumal damals anders als diesmal bei Olympia NHL-Profis dabei gewesen waren. Auch deshalb kommt die Fortsetzung des Aufschwungs unter Sturm völlig unverhofft. Zuletzt hatte der 39-Jährige stets auch auf seine besten Spieler aus Nordamerika zurückgreifen können. Wegen der Weigerung der besten Liga der Welt, ihre Saison für die Spiele in Südkorea zu unterbrechen, hatte Sturm selbst vor Olympia Zweifel an seinem nur aus der heimischen Deutschen Eishockey Liga rekrutierten Kader gehabt. Die sind nun endgültig verflogen. «Wie gesagt: Halbfinale!», sagte Stürmer Patrick Hager immer wieder.
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(dpa)