Doping-Fluch: Gewinner von heute Gauner von morgen?

Rio de Janeiro – Die Wettkämpfe der Gewichtheber im Pavillon Rio Centro 2 finden allesamt unter Vorbehalt statt. Wer kann schon sagen, dass die Gewinner von Rio noch in vier Jahren Olympiasieger sind?

Spätestens 2020 vor den Olympischen Spielen in Tokio gibt es Gewissheit, wenn die Ergebnisse der Nachtests von Rio vorliegen. «Gewichtheben ist momentan verseucht», klagt der frühere U23-Vizeeuropameister Max Lang aus Chemnitz. Der Ausschluss der acht Athleten umfassenden russischen Mannschaft wegen zahlreicher Dopingfälle ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. «Das es jetzt sauberer zugeht, ist eine Illusion», meint Lang.

Eigentlich hätten neben den Russen und den ebenfalls aussortierten Dauer-Dopern aus Bulgarien und Aserbaidschan auch die Weißrussen, Kasachen, Armenier und Türken von den Spielen ausgeschlossen werden müssen. Das hatte der Gewichtheber-Weltverband IWF verfügt, weil diesen Nationen bei den Nachtests von Peking 2008 und London 2012 jeweils mindestens drei Doping-Fälle nachgewiesen worden sind.

Voraussetzung für eine Sperre war jedoch, dass das IOC die Verfahren gegen die Sportler rechtzeitig bis Rio abschließt. Das war nicht der Fall. «Es ist schon ein seltsames Timing des IOC», kritisiert Christian Baumgartner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BVDG), das Prozedere. Die Länder hätten Deutschland «Startplätze bei Olympia geklaut, vielleicht sogar Medaillen», sagte Bundestrainer Oliver Caruso der «Bild» (Donnerstag). Sein Fazit: «Das System ist krank. Das ganze System ist korrupt.»

Begleitet von Misstrauen gewann der Kasache Nijat Rachimow am Mittwoch (Ortszeit) mit Weltrekord Gold in der Kategorie bis 77 Kilo. 2013 war er wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden. Rachimows erstaunlichen Leistungssprung seit seiner Rückkehr hält nicht nur Bronze-Gewinner Mohamed Mahmoud für verdächtig. «In so einer kurzen Zeit kann so etwas nicht gelingen», sagte der Ägypter.

Die Nachkontrollen von Peking und London laufen immer noch. Damals konnten nicht sämtliche Betrüger ausfindig gemacht werden, weil die Analyseverfahren den kriminellen Dopingmethoden hinterherhinken. Bislang sind 31 Gewichtheber erwischt worden. Die Liste der Schande führt Russland mit sieben Fällen vor Kasachstan (6), Weißrussland und Aserbaidschan (je 4) an. Die Kasachen stellten gleich vier gedopte Olympiasieger. Ihr Nationalheld Ilja Iljin gewann sowohl in Peking als auch in London. Beide Male war er gedopt! «Wer einmal positiv getestet wurde, sollte nie mehr mitmachen dürfen», fordert Ex-Europameister Jürgen Spieß vor seinem dritten Olympia-Start.

Trauriger Höhepunkt: Von den 21 Frauen, die in London Medaillen gewannen, waren zehn nicht sauber. In der 75-Kilo-Klasse war gar das ganze Podest verseucht: Swetlana Padobjedowa aus Kasachstan (Gold), Natalja Sabolotnaja (Russland/Silber), Irina Kulescha (Weißrussland/Bronze). Olympiasiegerin ist jetzt die Vierte Lidia Valentin aus Spanien.

Nach Abschluss der Doping-Nachverfahren erhält Valentin vermutlich die Goldmedaille von 2012 per Post. Das einmalige Gefühl auf dem obersten Podest mit Hymne, Fahne, Gänsehaut und Tränen in den Augen bleibt ihr verwehrt und auch die mediale Aufmerksamkeit als Olympiasiegerin und die Möglichkeit, den Erfolg zu versilbern. «Da weiß man gar nicht, ob man überhaupt von Genugtuung sprechen kann», sagt Baumgartner. Valentin ist in Rio erneut am Start. Vielleicht schafft sie diesmal den umjubelten Gold-Coup. Es sei denn, Betrügerinnen fangen sie wieder ab.

Fotocredits: Larry W. Smith
(dpa)

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