Die Eintracht und der «Freifahrtschein» für Europa

Frankfurt/Main – Über sein erstes Jahr in der Bundesliga könnte Adi Hütter locker ein Buch schreiben. Die emotionale Achterbahnfahrt wird der Trainer von Eintracht Frankfurt so schnell nicht vergessen.

Erst wurde der im Vorjahr als Nachfolger von Pokal-Champ Niko Kovac geholte Fußball-Lehrer nach einem Fehlstart als erste Trainerentlassung gehandelt, dann rockte er mit den Hessen die Europa League und etablierte das Team auch in der nationalen Spitzengruppe. «Was wir geleistet haben, hat sehr, sehr große Anerkennung gefunden, nicht nur in Deutschland», befand Hütter.

In der Schlusspointe dieser Bundesliga-Saison droht nun aber der Sturz aus den internationalen Rängen – und die Eintracht am Ende mit leeren Händen dazustehen. Im Gastspiel beim FC Bayern München am Samstag (15.30 Uhr/Sky) benötigen die Hessen einen Punkt, um aus eigener Kraft ein weiteres Jahr in Europa spielen zu dürfen. Nach den höchst attraktiven Reisen will sich die Hütter-Truppe diesen Traum unbedingt erfüllen. «Wir haben alle gesehen, wie geil es ist, durch Europa zu fliegen und internationale Spiele zu bestreiten. Wir wollen das nächstes Jahr unbedingt wieder erleben», sagte Verteidiger Martin Hinteregger.

Nach den Patzern gegen den FC Augsburg (1:3), Hertha BSC (0:0) und Mainz 05 (0:2) müssen die Frankfurter ausgerechnet bei den Bayern, für die es um nichts weniger als die Meisterschaft geht, noch einmal die letzten Reserven mobilisieren. Passend zu einer irren Saison ist vor dem finalen Akt in München zwischen Platz vier (Champions League) und acht (gar nichts) noch alles drin. Der Wunsch von Sportvorstand Fredi Bobic ist daher verständlich: «Wenn es einen Freifahrtschein für die Champions League geben würde, wir hätten ihn uns verdient.»

Den gibt es natürlich nicht. Doch selbst bei einem Sturz aus den Europa-Rängen werden Momente dieser Frankfurter Saison im Gedächtnis bleiben. Mehr als 10.000 Fans fuhren mit nach Rom, 15.000 Anhänger begleiteten den Verein nach Mailand. Und in London feierten die Anhänger ihre Lieblinge noch Minuten nach dem dramatischen Aus im Halbfinale beim FC Chelsea voller Stolz. «Ich habe das genossen, es erfüllt mich mit Freude, und ich betrachte es auch als eine Bestätigung unserer Arbeit», sagte Bobic im Interview des «Kicker» über die Europa-Festtage.

Im Sommer steht ihm viel Arbeit bevor. Die Stürmer Luka Jovic, Sebastien Haller und Ante Rebic haben mit zahlreichen Toren nicht nur ihren Marktwert auf zusammen etwa 150 Millionen Euro gesteigert, sondern auch Begehrlichkeiten anderer Vereine geweckt. Vor allem Jovic, dem 27 Pflichtspieltore und ein spektakulärer Fünferpack in der Bundesliga gelangen, wird mit seinen 21 Jahren quasi bei allen internationalen Top-Vereinen gehandelt.

Angeblich soll der Wechsel des Serben zu Real Madrid schon in der nächsten Woche perfekt gemacht werden – was die Eintracht derzeit dementiert. Bobic räumte aber ein: «Wir müssen immer Transferüberschüsse erzielen, das werden wir tun. Wir werden immer eine Fabrik für die großen Vereine sein. Aber wir bekommen auch einen Gegenwert.» Im Fall von Jovic soll dieser bei mindestens 60 Millionen Euro liegen.

Spannend wird, wie die Eintracht mit ihren Leihspielern umgeht. Neben Hinteregger (FC Augsburg) haben sich auch Torwart Kevin Trapp (Paris Saint-Germain) und der nun mit einem Knorpelschaden lange Zeit verletzte Sebastian Rode (Borussia Dortmund) ins Rampenlicht gespielt.

Flügelflitzer Filip Kostic wäre für 6,5 Millionen Euro recht günstig zu haben, ist aber ohnehin noch bis 2020 vom Zweitligisten Hamburger SV ausgeliehen. Für Hinteregger müsste die Eintracht im Sommer schon zehn Millionen Euro berappen, Trapp dürfte kaum günstiger zu bekommen sein. Ohne Europa-Ticket wird es für die Eintracht bei Spielern dieser Kategorie schwer. Bobic ist um die Zukunft jedoch nicht bange: «Wir werden versuchen, unser Personalbudget zu steigern und den Kader qualitativ noch besser zu machen.»

Fotocredits: Uwe Anspach
(dpa)

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