Den Krebs besiegt: Russ schon jetzt ein Pokalgewinner
Berlin – Im Mai 2016 trat Marco Russ voller Ängste den schweren Gang ins Krankenhaus an. Der Abwehrspieler von Eintracht Frankfurt stand vor einer Krebs-Operation – und einer ungewissen Zukunft.
Fast auf den Tag genau ein Jahr danach wird der 31-Jährige am Samstag mit einem Lächeln ins Berliner Olympiastadion auflaufen und im Pokal-Endspiel gegen Borussia Dortmund zum zweiten Mal in seiner Karriere das besondere Flair genießen.
«Das ist schon ein wilder Ritt in der Achterbahn der Gefühle. Die Reise nach Berlin ist jetzt ein schöner Abschluss nach all dem Auf und Ab. Es war ein langer Weg zurück», sagte Russ in einem Interview der «Frankfurter Allgemeine Zeitung». «In dieser Woche ist es genau zwölf Monate her, dass ich ins Krankenhaus musste. Aber ich bin wieder da, das ist das Wichtigste.»
Es wird ein emotionaler Moment für den Familienvater, der sich bereits vor dem Anpfiff als Gewinner fühlen darf. Immerhin hat er den Krebs besiegt und damit das schwerste Spiel seines Lebens für sich entschieden.
Nach der Operation und anschließender Chemotherapie, die ihm körperlich und mental teilweise sehr zusetzte, kämpfte sich Russ Anfang des Jahres Schritt für Schritt wieder an die Mannschaft heran. Ende Februar dann das Comeback im Pokal-Viertelfinale gegen Arminia Bielefeld. Ein Gänsehautmoment auch für die Fans, die sich bei seiner Einwechslung kurz vor Schluss von ihren Sitzen erheben.
Im Halbfinale gegen Borussia Mönchengladbach verwandelte Russ im gewonnenen Elfmeterschießen als fünfter Schütze eiskalt. Den ausgelassenen Jubel seiner Teamkollegen beobachtete er danach abseits und in sich gekehrt. Kein Wunder: Die Krankheit hat seinen Blick auf den Fußball und das Leben verändert. «Das Wichtigste ist die Gesundheit. Alles andere ist zweitrangig», erklärte Russ.
Nun also Berlin. Schon 2006 beim 0:1 gegen die Bayern war Russ – damals gerade 20 – dabei. Nach Kapitän Alexander Meier ist der Defensiv-Allrounder, der abgesehen von einem zweijährigen Intermezzo beim VfL Wolfsburg immer den Adler auf der Brust trug, dienstältester Eintracht-Profi. Die zweite Chance auf den Pokal-Triumph empfindet er als etwas ganz Besonderes: «Das ist Weltklasse, ein echtes Highlight zum Ende meiner Karriere.»
Es gibt wohl niemanden, der ihm das nicht gönnt. Für Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic gleicht das Ganze sogar einem Märchen. «Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass er im Finale ein Kopfballtor macht», sagte Bobic.
Allerdings ist nicht sicher, ob Russ überhaupt spielt. «Ich weiß schon, dass mir noch ein paar Prozent fehlen», räumte er ehrlich ein. Sollte er nicht in der Startformation stehen, gehe für ihn die Welt nicht unter. «Natürlich will ich immer spielen», sagte Russ, «doch ich habe nicht zuletzt eins gelernt: Geduld bringt einen auch weiter.»
So will er den außergewöhnlichen Tag unbeschwert genießen, die grandiose Stimmung mit Hymne und Konfetti in sich aufsaugen. Und natürlich träumt Russ von einem sportlichen Happy End: «Es wird schwer, aber wir können gewinnen. Das wäre dann für mich die absolute Krönung.»
Fotocredits: Marius Becker
(dpa)