Das richtige Modell: Wer braucht welchen Radhelm?

Göttingen (dpa/tmn) – Helmtragen auf dem Fahrrad ist keine Pflicht in Deutschland. Doch die Folgen der «Oben-Ohne»-Fahrt können gravierend sein, warnen Unfallforscher. Wer sollte besonders auf den Kopfschutz achten und wie finden Radler ein geeignetes Modell?

Was kann ohne Helm passieren?

Typisches Szenario: Ein Radler stürzt und landet mit dem Kopf auf dem Asphalt. Bei bestimmten Regionen des Kopfes, zum Beispiel Stirn oder Schläfen, liegt direkt unter dem Schädelknochen das Großhirn. «Genau wie auch beim Hinterkopf gibt es keine Knautschzone bis zum Gehirn, das damit stark verletzungsgefährdet ist», sagt der Mediziner Wolfram Hell, Unfallforscher der Rechtsmedizin an der LMU München. Die Folgen: Gehirnerschütterungen, Schädelbrüche und bei schweren Fällen irreparable Hirnschäden.

Tragen viele Radfahrer Helm?

«Über alle Altersgruppen gerechnet, liegt die Helmtragequote aktuell bei 18 Prozent», sagt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht. Helm-Muffel sind neben Jugendlichen vor allem Senioren. «Der Helm verhindert keinen Unfall, aber wenn einer passiert, kann er ein Lebensretter sein.»

Warum sollten sich gerade ältere Radler schützen?

Ältere Menschen sind gefährdeter: Ein 60-Jähriger hat eine vierfach höhere Wahrscheinlichkeit sich bei einem Sturz zu verletzen als ein 20-Jähriger. «Ab dem Alter von 45 hat man eine deutlich höhere Sterblichkeit durch schwere Kopfverletzungen», sagt Wolfram Hell. Gerade ältere Radler, die etwa blutverdünnende Mittel wie Aspirin oder Marcumar einnehmen, sollten unbedingt einen Helm tragen, rät der Mediziner.

Wie macht man Kindern den Helm schmackhaft?

«Wenn sie ihn selbst aussuchen dürfen, kann sie das motivieren, ihn auch zu tragen», sagt Herlan. Erwachsene sollten bedenken: «Mein Kind muss einen aufsetzen, ich fahre ohne, gilt nicht», sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). Denn das vermittle die Botschaft: Helmloses Radeln steht für Erwachsensein.

Wann sollte man den Helm tragen?

Den Kopfschutz setzen Radler am besten immer auf, «auch wenn man nur kurz zum Brötchenholen um die Ecke fahren will», rät Wolfram Hell. «Denn schon aus dem Stand haben Sie eine Fallhöhe von etwa 1,50 Metern.» Das könne im ungünstigen Fall schon zu schweren Kopfverletzungen führen.

Was ist beim Helmkauf zu beachten?

«Man kann nicht hineinwachsen, er muss von Anfang an passen», sagt Hannelore Herlan. Er darf weder drücken noch wackeln. Und: «Der Helm muss gefallen, sonst wird er nicht getragen», rät Fehlau. Der Kunde sollte sich aber erst einmal nicht von den vielen Farben und Designs ablenken lassen, sondern «seinen» Hersteller finden. Denn oft fallen die Modelle verschiedener Hersteller bei gleicher Größe unterschiedlich aus. «So passen einige besser auf rundliche, andere eher auf längliche Köpfe». Da hilft nur Ausprobieren. Gute Fachhändler führen daher mehr als nur einen Hersteller im Programm.

Die meisten Hersteller bieten Erwachsenen drei Größen. Für die Feinjustierung haben die Helme in der Regel oberhalb des Nackenbereichs ein Einstellrad oder einen anderen Rastmechanismus.

Welcher Helm ist für mich der richtige?

Alltagsradler können zu eher geschlossenen Modellen greifen. Hier spielt die Belüftung eine geringere Rolle. Die Konstruktion kann einfacher und damit billiger sein. Je sportlicher, desto wichtiger werden viele und große Lüftungsöffnungen. An eine flache Sitzposition auf einem Rennrad muss sich die Helmform anpassen, «sonst kann ich den Kopf nicht ausreichend in den Nacken strecken», sagt Fehlau. Rennhelme haben daher sehr schmale Nackenpartien und um die Ohren viel Platz für Belüftung. «Viele sind ein Hauch von Nichts, das dennoch einen hohen Schutz liefert.»

Wegen vieler Hindernisse etwa im Wald mit Ästen und Gebüschen tragen abfahrtorientierte Mountainbiker sehr weit in den Nacken und zu den Ohren heruntergehende Modelle, «quasi abgespeckte Motorradhelme», sagt Fehlau.

Ein an den Schläfenregionen heruntergezogener Helm schützt noch besser. Denn «die Schläfen haben mitunter die geringste Verletzungstoleranz», sagt Wolfram Hell, der solche Modelle besonders für Kinder empfiehlt.

Muss ein guter Helm teuer sein?

Generell hat «der Preis mit der Schutz- und Sicherheitsfunktion eines Helms nichts zu tun», sagt Hell. «Mit dem Komfort und der Optik allerdings schon.» Einfache, aber gute Alltagsmodelle aus dem Fachhandel beginnen bei um die 50 Euro, sagt Fehlau. Andere Modelle sind sehr komfortabel, bieten etwa integrierte Fächer für Regenhauben, einige haben Rücklichter. Extrem leichte, gut durchlüftete Rennhelme können schnell 250 Euro kosten.

Für Alltagsradler kann sich auch ein sogenannter Airbag-Schal mit Akku anbieten. Er bläst sich beim einen Unfall wie eine Trockenhaube zu einem Airbag auf. «Der hat sogar noch geringere Belastungswerte als ein konventioneller Fahrradhelm», sagt Wolfram Hell. Das System von Hövding kostet aktuell rund 300 Euro. Aber vor allem gilt: «Niemals einen gebrauchten Helm kaufen, auch nicht innerhalb der Familie weitergeben. Man kann Vorschäden nicht ausschließen», rät Gunnar Fehlau. Und Haarrisse im Innern werden nicht sichtbar.

Wie wird der Helm richtig getragen?

Den Helm darf man nicht zu weit nach hinten schieben. Er muss gerade auf dem Kopf sitzen. Die Kinnriemen müssen geschlossen und nicht zu locker sitzen. «Sonst kann sich der Helm beim Unfall ganz schnell abstreifen», sagt Hell.

Was ist bei einer Helmkamera zu beachten?

Wer eine Helmkamera aufstecken will, sollte eine Montageeinrichtung wählen, die durch eine Soll-Bruchstelle gewährleistet, dass sich keine Teile durch den Helm bohren können.

Wie oft muss ein Helm ausgetauscht werden?

Auch unfallfreie Helme erneuert man idealerweise alle drei bis fünf Jahre, rät Fehlau. Denn die Weichmacher im Material können ausdünsten und der Helm porös werden. Und bevor man ihn wegschmeißt: «Unbedingt unbrauchbar machen, damit ihn niemand aus dem Sperrmüll holt und sich damit in falscher Sicherheit wähnt.» Kinder brauchen in der Regel alle zwei bis drei Jahre einen neuen Helm.





Fotocredits: Andrea Warnecke,Denis Stratmann,Gregor Bresser,Tobias Hase,www.abus.de

(dpa)
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