Das deutsche Team und der Russen-Skandal

Pyeongchang – Eisschnellläufer Nico Ihle sieht die Teilnahme von 169 russischen Athleten nach dem Doping-Betrug des Landes an den Winterspielen in Pyeongchang kritisch – und auf seine Weise pragmatisch.

«Ich kann für mich nur sagen, dass ich möglichst alle Russen hinter mir lasse, damit es gar keine Diskussionen gibt und ich nicht vielleicht in acht Jahren die Medaille nachgesandt bekomme», sagte der Vizeweltmeister und Olympia-Vierte von 2014. Das Urteil des Internationalen Sportgerichthofs, der 28 von 39 vom IOC gegen russische Sportler verhängte lebenslängliche Sperren wieder aufhob, wird ihn in seiner Einstellung bestärkt haben.

Sein Eisschnelllauf-Kollege Moritz Geisreiter überkommt beim Gedanken an die Manipulationen der Gastgeber in Sotschi nicht nur immer noch ein «eigenartiges Gefühl». Vielmehr bekennt der Inzeller genervt: «Das Ganze widert mich an, da ist so viel Politik im Spiel.» Für Langläufer Lucas Bögl wäre ein Komplett-Ausschluss Russlands «an sich die nachvollziehbare Konsequenz» gewesen. «Wie es gemacht wurde, hat es fast keinen Einfluss auf die meisten Athleten, von daher ist es mehr Augenwischerei», meinte er. Die Hoffnung, dass es fair laufen möge in den Loipen von Alpensia und anderswo, hat seine Disziplin-Gefährtin Sandra Ringwald. «Das ist mein Anspruch an alle Athleten. Ich hoffe, dass es auch so kommt», betonte sie.

Frustrierend ist für viele Sportler, dass unabhängig von der CAS-Entscheidung vom Internationalen Olympischen Komitee viele Russen lebenslang zwar für Olympia gesperrt wurden, aber weiter bei EM und Weltcups starten durften und weiter dürfen. «Wer etwas bewusst genommen hat, gehört lebenslang gesperrt», sagte Eisschnellläufer Patrick Beckert. Schon vor dem CAS-Spruch hatte er die Teilnahme der Konkurrenten aus Russland an Wettkämpfen außerhalb der olympischen Arenen als «falsches Signal» kritisiert.

Für akzeptabel hält Langläufer Thomas Bing jedoch, dass das IOC nach individueller Prüfung 169 Athleten für die am 9. Februar beginnenden Spiele zugelassen hat: «Ich finde schwierig, wenn etwas staatlich gemacht wird, dies zu pauschalisieren.»

Auch Max Hartung, Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbunds, kann mit der IOC-Entscheidung leben, saubere Russen – ohne Hymne und Flagge – nach der Prüfung durch eine unabhängige Kommission zu den Winterspielen zuzulassen. «Sie war gründlicher und fundierter als vor Rio 2016», meinte der Weltklassefechter. «Ich hatte den Eindruck, dass das Verfahren besser war, als es vor den Sommerspielen der Fall war», meinte er. «Außerdem sind viele Athleten aus Russland dabei, die in Sotschi nicht am Start waren. Deshalb finde ich es nicht problematisch.»

Ob nun eine größere Chancengleichheit in Pyeongchang gegeben sein wird? «Es wird immer schwarze Schafe und andere Länder geben, in denen zu verbotenen Mitteln gegriffen wird», sagte Hartung. «Die Form des Betruges wie in Sotschi wird es nicht geben. Es wird fairer als vor vier Jahren zugehen, obwohl das kein hoher Maßstab ist.» Dass es sauberer zugehen wird, erwartet auch Ihle, der aber auch hofft, Russlands Athleten würden «selbst daraus lernen».

Eine klare Position hat Felix Loch. «Wer überführt wird, der gehört gesperrt, der gehört da raus, der hat nichts zu suchen im Sport», betonte der Doppel-Olympiasieger von 2014. Und welche Russen in Südkorea gegen ihn antreten werden, Zweifel oder Befürchtungen hegt er gegen sie nicht: «Nein, überhaupt nicht. Ich kenne die, die gegen mich fahren, schon viele Jahre. Das ist ein normales Verhältnis.»

Völlig ausblenden will Aljona Savchenko das Thema. «Es sind ja nicht nur Russen da», sagte die Eiskunstläuferin, die mit ihrem Partner Bruno Massot im Paarlauf eine (Gold-)Medaille anvisiert.

Fotocredits: Peter Kneffel
(dpa)

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