Darmstadt 98 stürzt ab: Keine Jobgarantie für den Trainer
Darmstadt – Präsident Rüdiger Fritsch überlegt noch, ob man beim kriselnden SV Darmstadt 98 den «einfachsten Reflexen» des Fußballgeschäfts nachgeben soll.
Trainer Norbert Meier wollte sich nicht zu den Sprechchören äußern. Doch die «Meier raus!»-Rufe waren am Böllenfalltor nach dem 0:2 der «Lilien» im Kellerduell gegen den Hamburger SV nicht zu überhören. Für den mit 58 Jahren ältesten Bundesliga-Coach wird die Situation immer prekärer.
Derweil trägt bei den Hanseaten, die ihren ersten Saisonsieg feierten, die Arbeit von Markus Gisdol allmählich Früchte. In Darmstadt herrscht hingegen etwas Ratlosigkeit. «Der Mannschaft ist vom Kämpferischen nichts vorzuwerfen», sagte Fritsch. Auch Meier selbst erklärte, man könne der Mannschaft nicht Willen oder Kampfbereitschaft absprechen. Die Fans sahen das anders: «Wir woll’n euch kämpfen sehen!», skandierten sie immer wieder lautstark.
Nach sechs Pflichtspiel-Niederlagen in Serie wird es ungemütlich für Darmstadt. Vor allem, weil in diese Zeit auch das peinliche Pokal-Aus beim Viertligisten Astoria Walldorf sowie zuletzt zwei Heimpleiten gegen die bis dahin sieglosen Mitkonkurrenten Ingolstadt und HSV fallen. Die «Lilien» sind nun erstmals seit dem ersten Spieltag wieder auf den Relegationsrang abgerutscht.
Meier hatte – ähnlich wie der längst beurlaubte Markus Kauczinski als Nachfolger von Ralph Hasenhüttl beim FC Ingolstadt – ein schweres Erbe angetreten. Unter Dirk Schuster stürmte Darmstadt von der 3. in die 1. Liga und schaffte dort überraschend den Klassenverbleib.
Ingolstadt steht jetzt unter Maik Walpurgis ganz unten. Qualitativ aber hat Darmstadt den wohl schwächsten Kader der Liga. Meier drückte es so aus: «Wir sind nicht die Mannschaft, die den Gegner komplett aus den Angeln hebt.» Dass man gegen den Abstieg spielen würde, war zum Saisonbeginn klar. Doch eine Jobgarantie gibt es für den Trainer nach der erneuten Heimpleite nicht mehr. «Wir schauen da schon ganz genau hin», sagte Präsident Fritsch, betonte aber auch: «Wir werden die Sache jetzt erst einmal sacken lassen und gucken, wie wir den Bock umstoßen.» Vielleicht doch mit einem Trainerwechsel? «Nur weil das seit Jahrzehnten im Fußball so ist, weiß ich nicht, ob man das umsetzen muss», sagte der Vereinsboss.
Kapitän Aytac Sulu bemühte mit Blick auf die sportliche Lage und die Trainerdiskussion das gleiche Bild: «Den Bock wollen wir auf jeden Fall umstoßen. Alles andere liegt nicht in unserer Macht.» Wie das Team «den Bock umstoßen» kann? «Mal punkten und mal gewinnen. Wenn wir unsere Chancen reinmachen und hinten stabil stehen.»
Tatsächlich fehlte den Südhessen auch immer wieder mal das nötige Glück, irgendwie ist der Mannschaft aber auch etwas der Glauben an die eigene Stärke abhanden gekommen. «Das Wichtigste ist, dass die Mannschaft den Kopf hoch hält», sagte Meier. Aber wie?
Als die «Lilien» am Ende der Vorsaison nach der Heimniederlage gegen Frankfurt unter großen Druck gerieten, ging Meiers Vorgänger Dirk Schuster mit der Mannschaft zum Bowling. Das Team sicherte sich anschließend mit einem 2:1 in Berlin den Klassenerhalt. «Ich glaube, die Mannschaft hat genug gebowlt», erklärte Meier. «Und das sagt die Mannschaft, nicht der Trainer. Ich habe darüber mit Aytac gesprochen, und er war eher darüber begeistert, nicht bowlen zu gehen.»
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(dpa)