Chusovitina mit 41 zum siebten Mal bei Olympia
Rio de Janeiro (dpa) – Sie kennt einfach keine Grenzen. «Eigentlich ist es schade: Es gibt keine Punkte für das Alter», sagt Oksana Chusovitina mit einem Schmunzeln. Zum siebten Mal ist die in Bergisch Gladbach lebende Turn-Ikone bei Olympia dabei.
41 Jahre ist sie inzwischen alt und wird in der Olympic Arena von Rio als älteste Turnerin in die Olympia-Geschichte eingehen. Als sie 1992 in Barcelona in der Riege der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Team-Gold gewann, waren nahezu alle ihre heutigen Rivalinnen noch nicht einmal geboren.
Die Startchance für Rio erkämpfte sich die «Queen Mum» des Turnens im April beim Olympic Test Event mit einem ordentlichen Mehrkampf. Echte Medaillenchancen hat die Sprung-Künstlerin aber nur in ihrer Spezialdisziplin. Am Sprungtisch hatte sie vor acht Jahren in Peking für Deutschland die Silbermedaille erkämpft, in London war sie 2012 im schwarz-rot-goldenen Trikot Fünfte.
Nun tritt sie wieder für ihr Heimatland Usbekistan an. Aber in der Olympia-Vorbereitung lief alles fast so wie vor vier Jahren, nur dass sie in der Trainingshalle von Bergisch Gladbach öfter auf sich allein gestellt war und nicht mehr ihre Auswahl-Kolleginnen um sich herum wusste. Meist trainiert sie heute gemeinsam mit Kindern, denen sie als Trainerin an Geräten das Turn-ABC beibringt.
«Auf dem Podium ist jeder gleich, ob mit 40 oder mit 16», sagt sie – und es klingt, als wäre Hochleistungssport mit 41 kein bisschen anstrengend. Die Liebe zu ihrem Sport habe sie jung gehalten, sagt Chusovitina, für die Cheftrainerin Ulla Koch den Begriff vom «biologischen Turn-Wunder» prägte. «Ich habe keine Schmerzen, keine Probleme. Das Härteste ist für mich immer, bis zum nächsten Training zu warten», meint Chusovitina und schmunzelt wieder.
Die letzten Vorbereitungen für Rio absolvierte sie in der Nähe von New York im Internationalen Sommercamp IGC der Turner. Dort treffen sich Kinder und Jugendliche von sieben bis 17 Jahren, vom Anfänger bis zum Vollprofi. Das ist die Welt von Oksana Chusovitina. Inmitten junger Athleten fühlt sie sich mit ihren nur 1,50 Metern Körpergröße am wohlsten.
Gelernt hat sie, im Alter mit ihren Kräften im Training hauszuhalten. «Zwei, drei Stunden am Tag, nicht mehr», sagt das nur 43 Kilogramm leichte Kraftpaket. Wenn sie den nach ihr benannten Chusovitina-Sprung durch die Luft wirbelt, scheint es, als wäre sie schwerelos. Insgesamt neun WM-Medaillen hat sie am Sprungtisch für vier Nationen gewonnen. Kein Mensch weiß derzeit, wann «Chuso» wirklich ihre Karriere beendet. «Ich höre an einem Montag auf. Aber ich kann noch nicht sagen, in welchem Monat, an welchem Tag oder in welchem Jahr. Aber es wird ein Montag sein», scherzte sie unlängst.
Nach Deutschland hatte sie ihr Weg verschlagenen, weil ihr damals dreijähriger Sohn Alisher 2002 an Leukämie erkrankte. Viele deutsche Turnfreunde halfen, die kostenintensive Behandlung an der Kölner Universitäts-Klinik zu finanzieren. Mitte 2006 erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft und verlegte ihren Lebensmittelpunkt endgültig an den Rhein. Der nach der schweren Krankeit wieder voll genesene Alisher wollte aber nie in die Fußstapfen der Mutter treten. In seiner Kindheit begeisterte er sich für Fußball, derzeit interessiert sich der 17-Jährige mehr für Basketball.
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(dpa)