Champion Phelps tritt ab: «Könnte nicht glücklicher sein»
Rio de Janeiro – Goodbye Gigant! Der Rekordolympiasieger lächelte, aber auch ein Tränenfilm lag auf den Augen des Jahrtausendsportlers. Der letzte Tag der größten Karriere in der Olympia-Historie ging nahe: Auf der Tribüne weinten seine Verlobte Nicole Johnson und Mama Debbie mit.
«Es ist ein emotionalerer Abschied als 2012. Ich war heute in der Lage, auf meine Karriere zurückzublicken und zu sagen: Ich habe alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Ich könnte nicht glücklicher sein», erklärte die Schwimm-Legende. «Die Welt konnte sehen, wer ich wirklich bin.»
Fix und fertig ließ sich Phelps weit nach Mitternacht auf den Stuhl sinken. Mit kleinen, müden Augen sinnierte der 23-malige Olympiasieger über seine glorreiche Laufbahn. «Es begann alles mit dem Traum eines kleinen Jungen, der den Schwimmsport verändern wollte», erzählte der 31-Jährige, «und ich ließ den Traum wahr werden».
Michael Fred Phelps II erlebte in Rio seine vielleicht schönsten Karrieretage. Er lachte. Er weinte. Er tröstete. Er küsste. Und er machte das, was er wie kein Anderer kann: Er siegte. Fünfmal in Rio. Insgesamt stehen 23-mal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze in der Olympia-Bilanz. «Das perfekte Ende», fand Phelps.
Ständig eingeblendet fieberten und jubelten die wichtigsten Menschen in seinem Leben mit. Mama Debbie ist schon von vorangegangenen Spielen als eine starke Frau an Michaels Seite bekannt, die Verlobte rückte in Rio in den Fokus der Kameras. Immer dabei: Baby Boomer. Der drei Monate alte Sohn ist mittlerweile selbst von den Eltern zu einem Star im Internet gemacht worden. Für die dann doch etwas übertriebene Baby-Show gab es am Schlussabend Pfiffe.
Phelps will die Familie vergrößern, das verriet er bei seiner nächtlichen Fragerunde und unterstrich seine Liebe zur künftigen Ehefrau. «Wir sind 100 Prozent füreinander gemacht.»
Die Bedeutung unterstrich Phelps immer wieder, besonders nach seinem 20. Gold. Küsse für die Verlobte, Küsse für die Mama. Und Michael Phelps zeigte allen, wie glücklich er als Vater ist: Er hielt den Säugling vor hunderten Kameras im Arm. «Ich bin bereit, zurückzutreten. Ich fühle mich besser als vor vier Jahren. Ich freue mich, Zeit mit Boomer und Nicole zu verbringen.»
Bereit war er nach seinem zelebrierten Abschied in London vor vier Jahren nicht. Was danach kam, ist oft genug erzählt worden, aber es macht dieses heldenhafte Comeback noch ein Stück heroischer. Phelps empfand nicht als Erster eine große Leere nach dem Leistungssport.
Ersatzbefriedigungen durch Partys, Glücksspiel und Drogen gipfelten im September 2014 in einer Fahrt mit 135 Stundenkilometern. 1,4 Promille zeigte der Alkoholtest an. Das Gericht verurteilte ihn zur zweiten Bewährungsstrafe nach 2004, ordnete eine Suchttherapie mit 45 Tagen in einer Entzugsklinik an. Der Multimillionär landete in diesem düsteren Kapitel seines Lebens den möglicherweise größten Sieg.
Nicht nur durch seine endlose Zahl von Goldmedaillen, sondern erst recht durch dieses Comeback sei Michael Phelps der Größte auch über den Schwimmsport hinaus, würdigte ihn Paul Biedermann. Er fasste die unglaublichen Leistungen perfekt in sechs Worten zusammen. «Michael Phelps halt. Der Beste. Punkt.»
Phelps ist das Idol von Schwimmer-Generationen. Das war nahezu minütlich im Olympic Aquatics Stadium spürbar. Bei der Siegerehrung für den Olympiasieg der Freistil-Staffel über 4 x 100 Meter etwa schluchzte Ryan Held wild drauf los, nachdem er mit seinem großen Vorbild zusammen den Klängen der Hymne lauschen durfte. Noch verrückter ist die gemeinsame Vergangenheit von Phelps und dem 21 Jahre alten Mann, der ihn über 100 Meter Schmetterling entthronte.
Es war in Singapur irgendwann vor den Sommerspielen 2008, wenige Tage bevor Phelps mit achtmal Gold bei acht Starts den größten Triumphzug der olympischen Sportgeschichte ins Becken zauberte. Das US-Team bereitete sich vor, als sich ein schmächtiger Junge zum Erinnerungsfoto neben ihm aufstellte: Joseph Schooling. «Ich wollte als Kind immer so sein wie Phelps», sagte der erste Goldmedaillengewinner Singapurs.
Vorsichtig fragte Schooling nach, ob es weitere Duelle geben könnte. Phelps verneinte. «Es ist süß wie eh und je, auf dem Podium zu stehen und die Nationalhymne zu hören», schilderte Phelps. «Aber aus dem Becken zu kommen, ist mittlerweile schmerzhafter.» Es werde nie wieder einen wie Michael Phelps geben, sagte Trainer Robert «Bob» Bowman. Den zweiten Vornamen hat Boomer ihm zu Ehren bekommen.
Immer wenn Michael Phelps in Rio auf den Startblock stieg, knisterte es in der Halle. Am Samstag zum letzten Mal. Es ist vollbracht. Endgültig. Ohne weiteres Comeback. Sagt er. Als vermutlich nie einholbarer Champion verabschiedet er sich von «seinen» Wettbewerben im Zeichen der fünf Ringe. Adeus, Michael Phelps.
Fotocredits: Lukas Schulze,Esteban Biba,Bernd Thissen,Bernd Thissen
(dpa)