BVB feiert Ende des Finalfluchs
Berlin – Den ersten Titel als Profi-Trainer feierte Thomas Tuchel trotz seiner offenen Zukunft ausgelassen. «Ich habe den Trainer in sehr guter Form gesehen», berichtete Siegtorschütze Pierre-Emerick Aubameyang beim Pokalkorso durch Dortmund mit einem breiten Grinsen.
Auf dem Siegertruck durch die Innenstadt verspritzte der Coach sogar ungewohnt ausgelassen mit Champagner umher und nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Interviews wollte Tuchel am Sonntag keine geben, doch er genoss das Bad in der Menge sichtlich, an vielen Häusern hingen Plakate wie «Danke Tuchel» oder «Echte Kompetenz – Thomas Tuchel».
Schon direkt nach dem Ende des Dortmunder Titelfluchs hatte auf den ersten Blick pure Harmonie geherrscht. Geradezu herzlich hatte Tuchel zunächst Sportdirektor Michael Zorc und dann Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in die Arme geschlossen. Das hart erkämpfte 2:1 (1:1) im Pokal-Endspiel gegen Eintracht Frankfurt schien die Streithähne zu versöhnen. Und auch bei der anschließenden nächtlichen Siegerparty in einem noblen Hotel am Potsdamer Platz wirkte Kopfmensch und Asket Tuchel lockerer denn je. «Ich bin tief glücklich und fühle mich unglaublich leicht. Ich kann auf jeden Fall gut feiern – Gin-Tonic wird dabei helfen.»
Bei der Party bis in die frühen Morgenstunden vergaßen Watzke und Tuchel ihren Zwist – zumindest für kurze Zeit. Ausdrücklich schloss Watzke den Coach mit in seine Dankesrede ein: «Lieber Thomas, das ist dein erster Titel. Darüber freue ich mich total.» Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem größten Triumph der Vereinsgeschichte – dem Champions-League-Sieg 1997 – machte Watzke aus seinem Stolz keinen Hehl: «Der BVB hat die DNA, immer wieder aufzustehen und immer wieder Titel zu gewinnen.»
Der Erfolg im Berliner Olympiastadion nach zuvor drei Endspiel-Niederlagen in Serie wurde standesgemäß gefeiert. «Wir hatten erst ein gesetztes Bankett, dann sind wir direkt in den Feiermodus übergegangen. Kein Spieler ist nach Hause gekommen, bevor es hell war», berichtete Zorc am Sonntag im WDR und verbarg seine Augen hinter einer großen Sonnenbrille. Für das schrillste Outfit sorgte «Enfant terrible» Aubameyang, der im Glitzerjackett erschien und sich zuvor, genau wie sein Mitstreiter Marc Bartra, ein Stück des Tornetzes aus dem Berliner Olympiastadion gesichert hatte.
Trotz des krönenden Abschlusses einer schwierigen Saison mit dem Sprengstoffanschlag gut sechs Wochen zuvor gilt es jedoch weiterhin als unwahrscheinlich, dass Tuchel auch in der nächsten Saison den BVB coachen wird. In einer für die kommenden Tage anberaumten Unterredung soll über seine Zukunft entschieden werden. Noch glaubt der vertraglich bis 2018 gebundene und von vielen Fans erstmals in Sprechchören gefeierte Tuchel offenbar an eine Chance: «Es scheint zumindest so, als sei das Gespräch ergebnisoffen. Ich will meinen Vertrag erfüllen, etwas anderes habe ich nie gesagt.»
Wie Tuchel versuchte auch Watzke zu nächtlicher Stunde, den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass noch keine Entscheidung gefallen ist: «Wir haben uns nie gestritten. Es hat sich nichts geändert. Wir werden reden und dann sehen wir weiter.» Auch am Sonntag verwies Watzke nur auf die anstehende Unterhaltung.
In dieses Gespräch könnte Tuchel auf die nette Geste von Ousmane Dembélé verweisen – als Argumentationshilfe für den vermeintlichen Rückhalt der BVB-Profis. Zur Verblüffung seiner Kollegen schnappte sich der Torschütze zum 1:0 (8.) auf dem Rasen kurzerhand den Pokal und überreichte ihn dem Trainer. «Er hat es verdient, er hat tolle Arbeit geleistet», kommentierte der Franzose.
Gänzlich anders wird jedoch ein Statement von Marcel Schmelzer gedeutet, das ein vielschichtigeres Bild auf das Binnenklima zwischen Trainer und Team wirft. Die überraschende Entscheidung von Tuchel, Mittelfeldspieler Nuri Sahin aus dem Kader für die Partie zu streichen, kommentierte der BVB-Kapitän mit deutlichen Worten: «Ich verstehe es einfach nicht. Wenn Julian Weigl ausfällt, ist Nuri Sahin der einzige Spieler, der es auf dieser Position mindestens genauso gut kann. Wir alle stehen hinter ihm. Der von Schmelzer angesprochene kollektive Rückhalt der Mannschaft für Sahin könnte auch als kollektives Votum gegen Tuchel gewertet werden.
Fraglich ist auch die Zukunft von Aubameyang, dessen Elfmetertreffer in der 67. Minute für die Entscheidung sorgte: «Wir haben heute einen Titel gewonnen. Da erwarte ich ein bisschen mehr Respekt», erklärte Watzke. Aubameyang sagte am Sonntag zu seiner Zukunft nur: «Wir werden sehen.»
Gut möglich, dass sich der BVB nicht nur einen neuen Trainer, sondern auch einen neuen Torjäger suchen muss. Einen Treueschwur blieb der Bundesliga-Torschützenkönig jedenfalls auch als Pokalsieger schuldig. Zwar bestritt der bis 2020 gebundene Aubameyang Berichte, wonach er bereits um seine Freigabe für Paris Saint-Germain gebeten hat, kündigte aber Verhandlungen mit der Vereinsführung «für die kommenden Tage» an.
Getrübt wurde die Freude über den Sieg durch die neuerliche Verletzung von Marco Reus. Der Nationalspieler zog sich schon nach wenigen Minuten eine Knieverletzung zu – laut «Bild» einen Teilanriss des Kreuzbandes – und musste in der Halbzeit ausgewechselt werden.
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(dpa)