Bloemen & Co.: Nationen-Hopping bei Olympia
Pyeongchang – Für Oranje war es wie ein Stich ins Herz. Ted-Jan Bloemen raste im kanadischen Trikot zur Goldmedaille über 10 000 Meter, während der niederländische Eisschnelllauf-Star Sven Kramer einen fürchterlichen Einbruch erlitt.
Bloemen? Ja, richtig. Jener Bloemen, der in Leiderdorp geboren wurde und der vor vier Jahren als zu schlecht für das Nationalteam galt. Aussortiert aus der auf Medaillen abonnierten Vorzeige-Sparte der Holländer. Als letzter Ausweg blieb dem mitunter als trainingsfaul geltenden Kufenstar der Nationenwechsel. Schließlich ist sein Vater im kanadischen Bathurst geboren.
Der 31-jährige Bloemen ist bei Olympia längst kein Einzelfall. Nationen-Hopping ist längst an der Tagesordnung, wenn der Traum von den fünf Ringen wahr werden soll und lukrative Verdienstmöglichkeiten winken. Auch Deutschland hat davon profitiert. Die erste deutsche Goldmedaille im Paarlauf seit 66 Jahren hat eine französische Note. Bruno Massot nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an, um mit Aljona Savchenko auf olympischer Bühne zu brillieren.
Vorausgegangen war aber ein heftiger Streit zwischen dem deutschen und dem französischen Verband. Fast eineinhalb Jahre musste Massot warten, bis er Ende 2015 die Freigabe hatte. Dazwischen lagen für den Wahl-Oberstdorfer große Zukunftsängste und finanzielle Sorgen. «Ich bin Franzose, und ich habe es geliebt, für Frankreich zu laufen. Ich laufe jetzt für Deutschland, weil ich an meine Karriere denken musste», erklärt Massot. Das Angebot, mit Superstar Savchenko zu starten, sei für den Eiskunstläufer einfach zu lukrativ gewesen. Es war aber ein harter Weg, erst im November 2017 erhielt er den deutschen Pass, weil er mit dem Einbürgerungstest so seine Probleme hat.
Das kennt Rodlerin Aileen Frisch nur zu gut, schließlich ging es bei ihr um die südkoreanische Staatsbürgerschaft. Die frühere Junioren-Weltmeisterin hatte mangels Perspektive mit ihrer sportlichen Karriere schon abgeschlossen, ehe der Anruf vom Verband aus Fernost kam. Größtes Hindernis war für die Sächsin der Test für eine Einbürgerung. Das Singen der südkoreanischen Hymne gehörte dazu, und auch ein 20-minütiger Test zur Kultur und Geschichte des Landes.
Den musste auch der amerikanische Eishockey-Profi Mike Testwuide bestehen, ehe er für die Gastgeber auf das Eis durfte. «Ich musste richtig dafür üben. Hätte ich denselben Test über die amerikanische Geschichte machen müssen, wäre ich vielleicht durchgefallen», berichtete Testwuide. Der 26-Jährige gehört zu einer Gruppe von sieben Nordamerikanern, die für Südkorea spielen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, beim Auftaktspiel verlor der Außenseiter nur denkbar knapp mit 1:2 gegen Ex-Weltmeister Tschechien.
Testwuide war einst in die asiatische Hockey-Liga zu Anyang Halla in die Nähe von Seoul gewechselt, nachdem er sich daheim in kleineren Ligen versucht hatte. In Südkorea kam aber der Erfolg, und so auch das Angebot vom Nationalteam. «Betrüge ich jetzt mein Land?» habe er sich damals gefragt. Im Nachhinein sei es die richtige Entscheidung gewesen. «Wenn wir für Korea spielen, sind wir wie Brüder.» Ähnlich sehen es die fünf eingebürgerte Nordamerikanerinnen im Frauen-Team. Insgesamt 16 Sportler hat der Gastgeber mit finanziellen Anreizen angeworben, um beim Heimspiel eine gute Figur abzugeben.
Nationen-Hopping wird von manchen Ländern mitunter aggressiv forciert. Die vielen für die Türkei startenden Leichtathleten aus Ostafrika oder das Werben Katars um passable Fußballer im Hinblick auf die Fußball-WM 2022 sind die bekanntesten Beispiele. Allerdings gelten beim Weltverband FIFA strengere Richtlinien: Wer bereits ein Pflichtspiel für ein Land bestritten hat, kann nicht mehr wechseln.
Würde dies auch bei Olympia gelten, könnte Biathlet Michael Rösch – 2006 Staffel-Olympiasieger mit Deutschland – heute nicht für Belgien laufen. Per Crowdfunding finanziert Rösch mitunter seinen Sport, bei anderen Nationen wäre ein Wechsel lukrativer gewesen.
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(dpa)