Bei Snowboardern zählt Individualismus statt Wettrüsten
München (dpa/tmn) – Die Snowboard-Branche hatte es in den vergangenen Jahren schwer: Schlechte Winter in Europa, und viele Fahrer zogen wieder Skier vor, da es hier große Entwicklungssprünge gab.
Nun stellt sich aber ein neues Selbstbewusstsein der Szene ein, wie auch die
Wintersportmesse Ispo in München (bis 31. Januar) zeigt. Vor allem kleine Anbieter drängen auf den Markt – mit feinen, individualisierten Produkten für echte Fans.
«Der Technologien-Wettstreit der Snowboard-Hersteller ist beendet: Die Form des Boards steht wieder im Fokus – und die Lust auf Carven und Tiefschnee», erklären die Trendanalysten der Messe. So ist die Rede von Brettern, die Surfboards ähnlicher werden und asymmetrisch geformt sind, teils sogar mit Löchern.
Zu der Entwicklung zu diesen Premiumprodukten gibt es eine Geschichte – denn auf einen Trend folgt meist ein Gegentrend. Der Boom der Snowboards in den 1990er Jahren trieb die schwächelnde Ski-Industrie zu Entwicklungen an und polierte das verstaubte Image der zwei Bretter auf. Erst kam der Carving-Ski – inspiriert vom Snowboarden – mit Taillierung, was ihn einfacher drehen und fahren ließ. Auch die Free-Skier erlaubten Stunts, wie man sie sonst von Snowboardern kennt. Und nicht zuletzt erlaubte die Rocker-Technologie es Skifahrern, die planierten Pisten zu verlassen und in den Tiefschnee zu gehen. Und dann kam das Tourengehen in Mode – mit Skiern, die ebenfalls die Vorteile der Snowboards nutzen. Mit mehr Breite gleiten sie über den Tiefschnee.
«Die Skier sind in den letzten Jahren so toll geworden. Sie haben eine Riesenfläche, einen Riesenauftrieb», sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins in München. Und Andreas König vom Deutschen Skiverband ergänzt: «Man kann durchaus erkennen, dass viele Snowboarder wieder zum Ski zurückkommen. Er bietet inzwischen einfach mehr Möglichkeiten.»
Zugleich kam es zu Unstimmigkeiten innerhalb der Snowboard-Szene: Die einen fanden den Hype, die Aufmerksamkeit der Massen und das Wettrüsten der Hersteller gut, erzählt Ispo-Projektgruppenleiter Markus Hefter. Die anderen sehnten sich nach den alten Zeiten: nach dem Gefühl, das Snowboarden vermittelt. Nach dem Nischensport, nach dem Anderssein auf der Piste zwischen den Skifahrern.
Es kam zu einer Konsolidierung, berichtet Hefter. «Und im Zuge dessen kam es zu einer Rückbesinnung auf das Ursprüngliche.» Hier sind die Boarder nun angekommen. Es gehe wieder mehr ums gemeinsame Draußensein statt um Performance, so der Branchenkenner. «Man findet sich in seiner Community wieder», die tief verwachsen sei mit dem Outdoor-Bereich.
Und die neuen Bretter spiegeln das heute wider: «Es gibt viele neue kleinere Anbieter, die auf individuelle Produkte setzen.» Sie werben etwa mit besonderen Inlays, mit persönlichem Design der Boards. Es gibt für Liebhaber des Sports auch eine größer werdende Zahl von Möglichkeiten, sein eigenes Snowboard herzustellen. Und: «Nachhaltigkeit ist komplett verwurzelt in der Szene. Die Branche kümmert sich geradezu extrem darum», berichtet Hefter.
Auch Andreas König vom Skiverband fällt diese Entwicklung auf: «Ich bin ja viel auf den Pisten unterwegs. Man sieht noch das typische Snowboard-Klientel, aber es ist kleiner geworden. Es sind die Snowboarder, die auch den Lifestyle leben.»
Zurück kommt in dem Zusammenhang auch wieder eine Snowboardform, die laut Hefter lange Zeit weg war: das Carving-Snowboard.
Zugleich wird aber auch vermehrt die vielfältige Einsetzbarkeit der Bretter in den Fokus genommen: «Heute gibt es Snowboards für jeden Zweck: Piste, Touren, Powder», sagt Hefter. Gerade bei letzterem gebe es viel Neues: «Sie werden größer, meist am Front, und haben mehr Auftrieb.» Eine passende Entwicklung dazu schaffte es auch ins Finale des Ispo-Wettbewerbs Brandnew 2018: Der Aufsatz PowDaze von Allwinter Snowboarding wird über das vordere Ende des Twin-Snowboards gesetzt und mit Schrauben fixiert, um das Surfen im Pulverschnee zu verbessern.
Fotocredits: Florian Schuh,Simone A. Mayer,Simone A. Mayer,Simone A. Mayer,Simone A. Mayer
(dpa)