Bayers Champions-League-Frust und Kießlings Abschied
Leverkusen – Nach dem Schlusspfiff lagen fast alle Bayer-Spieler regungslos auf dem Rasen und trauerten der verpassten Champions-League-Teilnahme hinterher. Dann rafften sie sich auf und feierten den emotionalen Abschied eines der größten Spieler der Vereinsgeschichte.
Sichtlich bewegt von den Emotionen um Stefan Kießling stellte Nationalverteidiger Jonathan Tah nach dem letztlich wertlosen 3:2 (2:0) gegen Hannover 96 sogar fest: «Am Ende war das mit der Champions League den Fans irgendwo egal. Da stand Kies im Vordergrund.»
90 Minuten nach dem Schlusspfiff stand Kießling immer noch in der Fankurve und verabschiedete gefühlt jeden der 30.210 Fans einzeln per Handschlag. «Ich weiß gar nicht, wie spät es ist», sagte der 34-Jährige, als er endlich in die Katakomben kam: «Ich bin fix und fertig. Es war überwältigend, aber jetzt freu ich mich, mich mal fünf Minuten hinzusetzen und eine Cola zu trinken.»
Zuvor war Kießling, der nach alleine zwölf Profi-Jahren in Leverkusen seine Karriere beendet, auf den Zaun geklettert und hatte eine bewegende Abschieds-Rede gehalten. «Es war mir eine Riesen-Ehre für Euch spielen zu dürfen», sagte er und musste mit brüchiger Stimme immer wieder unterbrechen: «Aber wie sagt man so schön: Niemals geht man so ganz! Ich werde mir jetzt eine kleine Auszeit nehmen und dann bleibe ich Euch auf jeden Fall als Fan erhalten.»
Im Verein wird Kießling, dessen Kinder Tayler-Joel und Hailey-Milu sowie Ehefrau Norina ebenfalls auf dem Spielfeld waren, eine noch nicht definierten Rolle übernehmen. «Er muss sich erst einmal ein bisschen sammeln, dann wird er überall mal reinschnuppern und viele Abteilungen kennenlernen», sagte Sportchef Rudi Völler. Kießling sagte dazu: «Ich mache das, was mir am Ende Spaß macht. Aber klar ist: Ich will als Verantwortlicher, wie als Spieler etwas bewegen.»
Beinahe hätte sich der Bundesliga-Torschützenkönig von 2013 in seinem 403. Bundesliga-Spiel mit seinem 145. Tor verabschiedet. Als er in der 84. Minute aufs Feld kam, hatte Schiedsrichter Guido Winkmann soeben Elfmeter für Bayer gepfiffen. Kießling schnappte sich direkt den Ball, Winkmann verschwand vor dem Bildschirm und zog zwei Minuten später die Elfmeter-Entscheidung nach Videobeweis zurück.
Es hätte das 4:0 sein können. Danach lief Bayer, das aufgrund von Hoffenheims Sieg gegen Dortmund einen 5:0-Erfolg gebraucht hätte, mit vollem Risiko und leerem Tank in zwei Konter durch Niclas Füllkrug und Martin Harnik. Zuvor hatten Lucas Alario (3./18.) und Julian Brandt (55.) getroffen, Wendell hatte einen Elfmeter verschossen (6.).
Am Ende verpasste Leverkusen die Champions League und muss als Fünfter punktgleich mit dem Dritten in die Europa League. Trainer Heiko Herrlich sagte: «Für Platz fünf müssen wir uns nicht schämen. Nächstes Jahr greifen wir wieder an.»
Auch Völler hatte gemischte Gefühle: «Es war eine gute Saison», sagte der Sportchef: «Aber mit Platz vier wäre es eine sehr gute gewesen.» Gleichzeitig versprach er vollen Einsatz im kleinen Europacup. «Wir werden den deutschen Fußball in der Europa League so vertreten, wie es sich gehört. Und wir werden es sicher besser machen als der ein oder andere in dieser Saison.» Da waren Hoffenheim, Hertha und Köln allesamt in der Vorrunde ausgeschieden, auch die Champions-League-Absteiger Dortmund (im Achtelfinale) und Leipzig (im Viertelfinale) scheiterten bald.
Fotocredits: Marius Becker
(dpa)