Bayerns Tormaschine Wintzheimer ist Hamburgs Retter
Köln – Lewis Holtby hatte es geahnt. «Gleich kommt Manu und macht den Ausgleich», hatte der gesperrte Ex-Nationalspieler des Hamburger SV gesagt.
Manuel Wintzheimer kam in der 81. Minute. Machte den Ausgleich vier Minuten später. Und rettete dem Hamburger SV damit das 1:1 (0:1) im Top-Spiel beim 1. FC Köln. Einen Punkt, der emotional vielleicht sogar mehr wert ist.
Dabei war es keine Selbstverständlichkeit, dass der 20-Jährige zum Retter wird. Ein einziges Mal hatte er zuvor in der 2. Liga gespielt, für ganze 22 Minuten. Doch es war eben wieder eine dieser Solche-Geschichten-schreibt-nur-der-Fußball-Storys.
Und sie wird noch besser, wenn man sie über den FC Bayern München erzählt. Der hatte Wintzheimer im Sommer nach Hamburg verschenkt. In fünf Jahren im Internat hatte er sich zwar den Ruf als Tormaschine erarbeitet. Den Sprung in die Bundesliga traute man ihm aber nicht zu. Stattdessen sicherten sich die Bayern für 2019 frühzeitig Jann-Fiete Arp, das vermeintliche Ausnahme-Talent. Und zwar vom HSV.
Für den hatte Trainer Hannes Wolf trotz der Stürmer-Not gegen Köln aber wieder keine Verwendung. Er musste in der U21 ran – dafür rückte der bisher kaum beachtete Wintzheimer auf. «Ein sehr geiles Gefühl», sagte dieser nach seinem ersten Tor im Profi-Fußball. Ganz bewusst und demonstrativ bremste er seine überschäumende Freude, in dem er auf eine Handvoll unterschiedlicher Fragen sieben Mal die gleiche Antwort gab: «Als junger Spieler muss man immer Vollgas geben.»
Auch Wolf empfand das Remis des Zweiten bei den fast sicher aufgestiegenen Kölner nicht als Grund zum Feiern. Sogar sein 38. Geburtstag am Montag war ihm «schnuppe». Denn seit vier Spielen ist der HSV in der 2. Bundesliga ohne Sieg, die Rückrunden-Bilanz ist negativ. «Wir leben noch», stellte Wolf fest: «Aber wir müssen in diesem Modus bleiben.»
Doch auch bei den Kölnern war die Stimmung gedämpft. Zwar kann der FC bei optimalem Verlauf schon am Ostersonntag in Dresden aufsteigen, doch die erschreckend schwache zweite Halbzeit sorgte für Frust. «Wir sollten kritisch miteinander umgehen. So ein Spiel aus der Hand zu geben, darf einer Spitzen-Mannschaft, wie wir sie sein wollen, nicht passieren», sagte Torschütze Dominick Drexler (26.). Abwehrspieler Rafael Czichos wunderte sich derweil über die Pfiffe der Fans. «Wahnsinn», sagte er: «Ich hatte das Gefühl, wir wären Fünfter und sieben Punkte hinter dem Dritten.»
Für Trainer Markus Anfang war es ohnehin das schwierigste Spiel, nachdem sein Vater Dieter vor dem Spiel am Mittwoch in Duisburg einen Herzinfarkt erlitten hatte. «Er ist auf dem Weg der Besserung», sagte Anfang sichtlich bewegt: «Er hat wahnsinniges Glück gehabt. Wir hoffen, dass die nächsten Wochen auch gut verlaufen. Dafür brauchen wir noch etwas Stärke. Aber die werden wir aufbringen.»
Kritisieren lassen musste sich Anfang für seinen Wechsel in der 74. Minute, als er Abwehrspieler Lasse Sobiech für Stürmer Simon Terodde brachte und damit das falsche Signal setzte. Der Impuls dazu sei aber aus der Mannschaft gekommen, erklärte Anfang. «Als der dritte oder vierte Hinweis kam, habe ich gesagt: Okay Jungs», erzählte er: «Du musst auch ein Stück weit darauf hören, wie die Jungs sich auf dem Platz fühlen.» Es gibt also auch in Köln Klärungsbedarf.
Fotocredits: Marius Becker
(dpa)