Bademode knüpft an Kaiserbäder-Tradition an

Ahlbeck – 90-60-90: Nur wenige Frauen haben diese vermeintlichen weiblichen Traummaße. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben mehr als 40 Prozent der Frauen einen Body-Mass-Index von über 25 und tragen an Bauch und Hüften einigen Wohlstandspeck mit sich herum. 

Der Ahlbecker Sammler historischer Bademoden, Jürgen Kraft, kann deshalb beim aktuellen Trend zu knappen Badeanzügen und freizügigen Bikinis nur mit dem Kopf schütteln. Die historischen Bademieder aus seiner Sammlung zeigen, dass das Mehr an Stoff durchaus seine Reize haben kann. «Das Verhüllen von gewissen Körperpartien kann doch viel erotischer sein als das Bloßstellen», meint der Sammler.

Vor etwa einem Jahr hörte die Stylistin Katrin Werger einen Radiobeitrag über Kraft  und seine historische Bademode-Sammlung und nahm Kontakt zu dem Ahlbecker auf, um sich von den historischen Modellen für ihre Prachtstück-Kollektion im Vintage-Look inspirieren zu lassen. «In unserer Modeindustrie ist das 16-jährige Mädchen das Ideal. Ich bin aber keine 16 mehr, und ich bin auch kein Strich, will mich aber trotzdem als Frau erkannt sehen», beschreibt Werger ihre Intention, Bademoden zu entwerfen, die die weiblichen Rundungen in Szene setzen und Problemzonen gekonnt kaschieren.

Seit etwa drei Wochen werden ihre Badeanzüge und Zweiteiler, die an die Mode der 1920-er Jahre und an körperformende Mieder der 1950er Jahre erinnern, online verkauft. Ein Badeanzug in 1920-er-Tenniskleidoptik oder ein Badekleid mit kleinem Röckchen im Josephine-Baker-Stil gehören ebenso dazu wie ein Bikini, der mit seinen nostalgischen Schleifchen Bezug auf die Miedermode der 20-er Jahre nimmt. Vorbilder für die Kollektion sind ebenfalls der figurbetonte Look von Marilyn Monroe oder Sophia Loren. 

Als Reminiszenz an die Usedomer Bade-Tradition soll ein Teil der Stücke nun auf der Insel als Kaiserbäder-Edition mit kleinem goldenem Kaiserbäder-Logo angeboten werden. «Der Trend zu Vintage ist nicht neu, aber er ist stabil», sagt Sigrid Münzberg, Sprecherin des
Bundesverbandes Design Mode Textil. Zum einen diene dieser Mode-Trend dazu, sich vom Mainstream abzusetzen, zum anderen könne er auch als Rückbesinnung auf alte Werte, die Erinnerung an die Jugend oder die Identifikation mit einem Jahrzehnt verstanden werden – auch wenn der Blick dabei manchmal verklärt sei. 

Produziert werden die Bademoden in einem Werk in Sachsen, was Bademodesammler Kraft besonders freut. «Dort lag bis zur Wende der Schwerpunkt der  DDR-Bademoden-Produktion», sagt Kraft. Der VEB Strickwaren OLUBA mit 3200 Beschäftigten produzierte Bademoden, die in 18 Ländern exportiert wurden – auch als sogenannten «Gestattungsproduktion» für westdeutsche Bademodenhersteller. 

Die Idee, an die Tradition züchtigerer, aber dennoch reizvoller Bademoden anzuknüpfen, sei aus der eigenen Notlage heraus entstanden. «Ich war selber sehr unglücklich. Ich habe nichts gefunden, was mir gefällt», erinnert sich Werger. Ihre Stücke im nostalgischen Schick sollen wohl proportionierten Frauen nun «würdevollen Halt» geben.

Dazu arbeitet Werger mit Tricks aus dem Sportmoden-Bereich oder aus der Bademoden-Geschichte: breitere Träger, ein straffer genähtes Innenteil, um der Figur mehr Form zu verleihen. Ihr Ziel: Das Positive betonen und das Negative optisch verschwinden lassen.

Schon in den 1920-er Jahren wusste die Bademodeindustrie Frauen mit weiblichen Formen Halt zu geben, sagt Bademoden-Historiker Kraft. Das Kölner Unternehmen Rosenberg & Herz (RH Forma) habe sich damals das eingearbeitete Mieder im Badeanzug patentieren lassen.

Fotocredits: Stefan Sauer
(dpa)

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