Automobile Formenlehre: Die wichtigsten Karosserievarianten
Berlin – Kleine Kinder zeichnen Autos fast immer gleich: Vorne die Motorhaube, hinten der Kofferraum und dazwischen die Kabine: «Das ist eine traditionelle Prägung, die uns ein Leben lang begleitet», sagt Design-Professor Lutz Fügener aus Pforzheim.
So muss beim Stichwort Auto heute jeder erst an eine Limousine denken. Doch das Bild vor dem geistigen Auge ist so überholt wie falsch. Denn seit sich das Auto von der Kutsche emanzipiert hat und es Karosseriebauer gibt, gibt es auch unterschiedliche Aufbauvarianten. Und die Limousine sei zumindest in unseren Breiten längst nicht mehr die wichtigste, sagt Fügener. Ein Überblick über die Bauarten:
Die Limousine hat wie in der Kinderzeichnung vier Türen, eine klar abgesetzte Motorhaube und einen separaten Kofferraum. Dabei unterscheidet man zwischen dem Stufen- und Fließheck. Während das Stufenheck eine kurze Kofferraumklappe hat, umfasst sie beim Fließheck oft die Rückscheibe und reicht bis ins Dach.
Das macht das Fließheck zur praktischeren Variante der Limousine, sagt Werner Jöris, der die Entwicklung des neuen Opel Insignia verantwortet und das Stufenheck zugunsten des Fließhecks aus dem Programm gestrichen hat. Eine weitere Spielart dieser Bauform ist die Stretchlimousine mit verlängertem Radstand, die in der Oberklasse auch Pullman genannt wird. «Die Krönung des Limousinenbaus», sagt Mercedes-Designchef Gorden Wagener, der auf Basis der S-Klasse erst vor einem Jahr einen Pullman gezeichnet hat.
Der Vetter der Limousine ist der Kombi, bei dem das Dach über den Kofferraum hinweg verlängert und mit einer steil stehenden Klappe abgeschlossen wird. Eine praktische Erfindung, die Volvo für sich reklamiert, wie Pressesprecher Michael Schweitzer erklärt.
Ähnlich gebaut, aber ohne langen Überhang hinten, ist der Fünftürer oder das kompakte Schrägheck, wie es etwa der VW Golf besitzt. Ebenfalls eine Ableitung der Limousine ist das Coupé, das vielen Designern wie Audi-Mann Marc Lichte als eleganteste Karosserieform gilt. Es definiert sich in der klassischen Machart über die Beschränkung auf zwei Türen und das schräg beschnittene Dach – egal ob eleganter Limousinen-Ableger oder klassischer Sportwagen.
Offene Coupés mit variablem Dach heißen nach einer Tradition aus dem Kutschbau Cabriolet. Heute hat sich diese Bezeichnung vor allem für Fahrzeuge mit vier oder fünf Plätzen eingebürgert, während man offene Zweisitzer Roadster, Spider oder Barchetta nennt. Eine Sonderform ist das repräsentative Landaulet, bei dem nur die Hinterbänkler unter freiem Himmel sitzen, nicht aber der Chauffeur.
Neben diesen Pkw-Grundtypen haben sich Aufbauvarianten mit Nutzfahrzeug-Ursprung etabliert: Der Geländewagen als Auto fürs Grobe, der Van mit Transporter- und Kleinbuseigenschaften sowie der Pick-up. Als rustikaler Geländewagen mit offener Ladepritsche sei letzterer zugleich Arbeitstier und Lifestyle-Laster, sagt Volker Mornhinweg, der als Spartenchef von Mercedes Vans mit der X-Klasse gerade in diesem Segment startet.
Über viele Jahrzehnte war das Angebot mit den Grundtypen hinlänglich beschrieben. Doch mit modularen Fahrzeugarchitekturen und flexiblen Produktionssystemen ließen sich immer schneller immer mehr Varianten einer Baureihe auflegen, erklärt Automobilwirtschaftler Prof. Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. «Um sich noch stärker von der Konkurrenz abzuheben und den Kundenwunsch besser zu treffen, haben die Hersteller deshalb zahlreiche einzelne Stilarten kombiniert und mit sogenannten Crossover-Modellen neue Fahrzeuggattungen aus der Taufe gehoben.»
Aus der Kreuzung von Geländewagen und Kombi wurden deshalb Geländekombis wie der Audi Allroad oder der Volvo CrossCountry. Es gibt viertürige Coupés wie den Mercedes CLS oder den Audi A7, die sich von der Limousine nur durch Türen ohne Scheibenrahmen oder die fließende Dachlinie unterscheiden. Kreuzt man Coupé und Kombi, kommen sogenannte Shooting Breaks mit zwei oder vier Türen heraus. Und mit dem BMW X6 hat die Coupé-Welle auch den Geländewagen erreicht und die Gattung des SUV-Coupé begründet.
Die kurzlebige Idee des Van-Coupé gab es bislang nur in Gestalt des Renault Avantime, der ohne Nachfolger eingestellt wurde. Eine relativ neue oder wiederentdeckte Aufbauvariante ist das SUV-Cabrio. Bei Autos wie dem Willys Jeep oder dem Wrangler aus der Not geboren, feiert sie nun etwa beim Range Rover Evoque Cabrio ihr Comeback.
Die Karosserie der Zukunft
Zwar ist der Markt mit den zahllosen Varianten offenbar so gut abgedeckt, dass einzelne Gattungen wie der Van auf dem Rückzug oder wie das Van-Coupé schon wieder ausgestorben sind. Doch die Designer sind noch immer nicht zufrieden. Giles Taylor etwa, der das Styling von Rolls-Royce verantwortet, setzt langfristig auf den 3D-Drucker und will jedem Kunden über eine einheitliche Plattform einen Aufbau nach individuellen Vorgaben entwerfen – egal, mit wie vielen Türen und was für einem Dach. «Das ist die ultimative Personalisierung und die moderne Rückkehr des Karosseriebaus zum Coachbuilding aus den Kindertagen des Automobils.»
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(dpa/tmn)