Anna Seidel sorgt sich um Shorttrack-Zukunft
Pyeongchang – Ein Leben im Camping-Park von Bilthoven, nur alle fünf Wochen ein Besuch bei der Familie, zwei harte Trainingseinheiten täglich – das alles hat Anna Seidel gern auf sich genommen.
Sie wollte vorankommen, sich in der Trainingsgruppe der niederländischen Shorttrack-Expertin Wilma Boomstra weiterentwickeln, um bei Olympia erfolgreich zu sein. Doch nach ihrem dritten Sturz im fünften Olympia-Rennen steht sie bedröppelt in der Mixed-Zone, kämpft gegen die Tränen. «Ich bin so enttäuscht», sagt sie. Man sieht es ihr an.
Anna Seidel steht vor einer ungewissen Zukunft. In der Stunde des Misserfolgs haben sie die Sorgen wieder eingeholt. «Ich würde gern wissen, wie es jetzt weitergeht», flüstert sie. Fest steht: Der mehr als sechsmonatige Ausflug ins Trainings-Exil nach Utrecht ist beendet. Doch in ihrer Heimatstadt Dresden fehlt es an einem Bundestrainer.
«Ich bewerbe mich nicht um die Stelle. Ich werde erst mal mein Studium fortsetzen und Erfahrungen sammeln», sagt der frühere Shorttracker Daniel Zetzsche, der in Pyeongchang als Interimstrainer einsprang, weil sich Wilma Boomstra weiter um den Nachwuchs kümmern muss. Spekulationen, dass sich die Niederländerin um die seit Monaten ausgeschriebene Stelle bewerben könnte, wollte bei den Winterspielen in Südkorea niemand bestätigen.
Ursache für die Hängepartie waren Querelen des Verbandes mit dem früheren Auswahlcoach Miroslav Boyadziev vor mehr als einem Jahr. Der Trainer hatte sich nach gravierenden Meinungsverschiedenheiten schon krankgemeldet, vor dieser Saison war sein Vertrag aufgelöst worden. Zunächst sprang die Dresdner Stützpunkttrainerin Diana Scheibe ein, doch sie ging vor dem Olympia-Winter in Elternzeit. Seit dem 19. Juli mussten die besten deutschen Shorttracker nach Holland umziehen, hatten sich aber mit dem Training bei Boomstra schnell arrangiert.
«Wilma ist die beste Shorttrack-Trainerin der Welt», sagt Seidel. «Es fühlt sich gut an, was die Holländer machen. Aber alles ist natürlich Gewöhnungssache», berichtet die 19-Jährige.
Nach ihrem Auftritt als Küken des Olympia-Teams in Sotschi mit 15 Jahren hatte sich Seidel großartig entwickelt, in der Saison 2015/16 Podestplätze bei Weltcups und EM herausgelaufen. Doch dann warf sie eine komplizierte Brustkorb-Verletzung inklusive der notwendigen Operation weit zurück. In der Olympia-Saison hatte sie sich wieder herangekämpft, war aber weit von Podestplätzen entfernt.
«Ich möchte gern noch vier Jahre weitermachen. Dann bin ich hoffentlich noch stärker», lautet nun ihre Devise. Aber für dieses Ziel müssen erst einmal die Bedingungen im Umfeld stimmen. Die olympischen Misserfolge der Sportlerinnen aus der Randsportart Shorttrack werden die Position des Verbandes mit Blick auf die Leistungssportreform im deutschen Sport nicht gerade gestärkt haben.
Fotocredits: Peter Kneffel
(dpa)