Andreas Bielau: Der Mann, der Ancelotti bezwang
Jena – Im DFB-Pokal muss der FC Bayern München mit seinem neuen Trainer Carlo Ancelotti beim FC Carl Zeiss Jena antreten. Für den Italiener eine Reise in die Vergangenheit mit sicherlich unguten Erinnerungen. Der damalige Matchwinner Andreas Bielau denkt dagegen gern zurück.
Bielau kann sich an jenen lauen Herbsttag noch genau erinnern. Es war schließlich der größte in seiner Karriere. Und im Rückblick ist sich der ehemalige Spieler des FC Carl Zeiss sehr sicher: Ancelotti wird an diesem Freitag mit dem FC Bayern München nicht gern zurückkommen. Der Tag im Herbst 1980 – es war der Tag, an dem Jena Ancelotti schlug.
Es ist Mittwoch, der 1. Oktober. Ein Flutlichtspiel im Europapokal. Der Gegner: AS Rom. Es sieht nicht gut aus für Jena. «Im Hinspiel hatten wir uns unter Wert geschlagen», erinnert sich Bielau. Eine Klatsche bekommen trifft es wohl besser – 0:3 hieß es in der ewigen Stadt. Auch Ancelotti war damals unter den römischen Schützen. «Er war damals noch ein junger Mann. Mittelfeldspieler. Hochtalentiert», konstatiert sein damaliger Kontrahent.
Doch was im Rückspiel passierte, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern. Bielau glaubt im Nachhinein, die Römer waren sich ihrer Sache zu sicher. Mancher meinte im Nachhinein gar, sie hätten das Weiterkommen schon vorab in der Stadt vorgefeiert. Bielau weiß, wie das ist: «Du hast den Erfolg schon im Kopf. Und auf dem Feld kriegst du den Schalter nicht mehr um.» So wie England jetzt bei der EM gegen Island. «Man muss aber sagen: Wir hatten auch einen Sahnetag erwischt.»
Jena kämpfte die Römer von der ersten Minute nieder. Führte durch Krause (26. Minute) und Lindemann (38.) schon zur Halbzeit 2:0 – doch das reichte ja nicht. Dann schlug Bielaus große Stunde. Als Einwechselspieler traf er – beim ersten Ballkontakt (71.) und dann gleich nochmal (87.). Jenas Trainer – ein gewisser Hans Meyer – hatte wie so oft später ein glückliches Händchen bewiesen. Der dreimalige DDR-Meister stand in der nächsten Runde – und Rom war raus aus dem Wettbewerb.
Nach den Italienern flogen auch noch der FC Valencia, New Port County und Benfica Lissabon. Jena schaffte es bis ins Finale nach Düsseldorf. Doch Tiflis war des Guten zu viel. Das Spiel ging 1:2 verloren. Für Bielau war auf den schönsten Moment seiner Karriere gleich der schlimmste gefolgt. «Es war ganz bitter. Nach all diesen großen Spielen nur die kleine Medaille. Es war wie der blanke Hohn.» Den Gram hört man noch heute in seiner Stimme. Dabei war der Finaleinzug der größte Erfolg in Jenas Vereinsgeschichte.
Bielau blieb noch sieben Jahre in Jena. Dann ging es zurück in die Heimat nach Zwickau, ein Haus hatte er sich von den Prämien der Europapokalzeit erspart. Heute trainiert er ein Team in der Kreisoberliga. Im Sommer ist er Rettungsschwimmer im Freibad, ansonsten Sporttherapeut. Die Trikots seiner Spiele hat er sich aufbewahrt – nur von dem einen nicht. An Rom war nach dem 4:0 kein Rankommen. «Die wollten zum Flieger und weg.» Bielau lacht. Vom Spiel hat er nur noch Schwarzweißbilder.
Und der FC Carl Zeiss? Im Alltag dümpelt der Traditionsverein von 1903 seit geraumer Zeit durch Liga vier – aber im Pokal, da läuft es immer wieder. In den vergangenen zehn Jahren erwischte es unter anderen den 1. FC Nürnberg, den VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld. Erst vergangenes Jahr flog der HSV aus dem Wettbewerb. Und nun dieses Wiedersehen mit Ancelotti. Jena gegen den FC Bayern. Geht da vielleicht auch etwas für die Thüringer? «Sie müssten einen großen Tag erwischen und an das Unmögliche glauben», meint Andreas Bielau. «Also im Grunde so, wie wir damals.»
Fotocredits: Jan Woitas
(dpa)