Ancelotti: Neuer Bayern-Stil ohne Stress

München – Erst neulich hat Carlo Ancelotti sein Erfolgsrezept verraten. Und der erfahrene Italiener untertrieb dabei maßlos, als er eine Begründung für die aus seiner Trainervita hervorstechenden drei Champions-League-Triumphe mit dem AC Mailand und Real Madrid lieferte.

«Ich weiß nicht, warum ich sie so oft gewonnen habe. Vielleicht hatte ich Glück. Napoleon hat ja mal gesagt: Lieber einen glücklichen General als einen guten», sagte der neue Bayern-Coach.

Große Ziele, besonders die Sehnsucht der Bayern nach einem neuen Champions-League-Triumph, belasten den 57 Jahre alten Erfolgscoach nicht. Druck nimmt er an, die ständigen Guardiola-Vergleiche hält er aus. All die täglichen Aufgeregtheiten rund um einen großen Fußballclub wie den FC Bayern hat Ancelotti in den sechs Wochen Vorbereitung auf die Bundesligasaison mit einer bemerkenswerten Gelassenheit hingenommen. Der neue Chef versteht sich vor allem als Dienstleister seines Arbeitgebers und seiner Spieler.

«Ich habe keine persönlichen Ambitionen. Ich will meinen Job so gut machen wie möglich», sagte er vor dem Eröffnungsspiel am Freitag (20.30 Uhr) in der Münchner Arena gegen den SV Werder Bremen. Der Nachfolger von Pep Guardiola weiß, was von ihm erwartet wird: «Es ist ganz normal bei Bayern, dass nur der erste Platz zählt.» Und das am besten in allen drei Wettbewerben – Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. So, wie unter Vorvorgänger Jupp Heynckes 2013.

Ancelotti hat in wenigen Wochen unter schwierigen Voraussetzungen – USA-Reise, verletzte Spieler, fehlende EM-Teilnehmer – deutlich erkennbare Veränderungen eingeleitet, gerade auch klimatisch. «Wir wollten einen Trainer, der in Ruhe die Dinge angeht», äußerte Karl-Heinz Rummenigge. Der Bayern-Chef nennt den weit gereisten Trainer einen «klugen Burschen», der sein Geschäft kennt und versteht: «Er ist 57, er hat einen gehörigen Schuss Erfahrung.»

Besonders im Umgang mit Stars. Ancelotti weiß sie zu führen. Das hat er in Italien, England, Frankreich und Spanien bewiesen. Ob Weltfußballer Cristiano Ronaldo, Schwedens Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic oder Weltmeister Toni Kroos, viele Stars schwärmen von ihrem Ex-Chef. Auch Bayerns Neuzugang Mats Hummels spürt schon nach kurzer Zusammenarbeit, «dass Carlo Ancelotti nicht zum ersten Mal mit einer großen Mannschaft arbeitet».

Ancelotti ist ein Pragmatiker. Er jammert nicht über noch nicht verfügbare Stars wie Jérôme Boateng oder Arjen Robben. Nach Verletzungen mag er keinen Zeitdruck beim Comeback erzeugen. Spieler sollen «perfekt zurückkehren», wie es der Niederländer Robben beschrieb. Ancelotti ist zudem kein Dogmatiker, was die taktische Ausrichtung angeht, auch wenn er ein 4-3-3-System bevorzugt.

Ohne viel darüber zu reden, hat er behutsam einen Stilwandel eingeleitet. «Unser Spiel schaut sicherlich anders aus als in den letzten Jahren», sagte Philipp Lahm. Der Ballbesitzfußball werde durch eine etwas abwartendere Spielweise ersetzt, berichtete der Kapitän. Auch dem Gegner werde nun «mal der Ball zur Verfügung gestellt, um ihn dann zu erobern und zu kontern». Die Akteure dürfen dabei auf dem Platz ihre individuellen Stärken mehr ausleben.

Auch wenn Ancelotti einen freundschaftlichen Stil im Umgang mit den Spielern pflege, wie Rummenigge auf der USA-Reise beobachten konnte, verlangt er Disziplin. «Er will nicht Everybody’s Darling sein», sagte Rummenigge. Ancelotti beachtet Hierarchien, achtet auf Verdienste, auf Status, er stellt als Schulterklappen-Trainer auf.

Den Superstar, wie es Ronaldo bei Real war oder Ibrahimovic einst bei Paris St. Germain, findet der Italiener in München nicht vor. «Dieses Team hat keinen Spieler, der weit über den anderen steht. Sie sind auf einem hohen Niveau. Die Gruppe funktioniert gut», sagte er.

Nach den Erfolgen im Supercup gegen Borussia Dortmund (2:0) und im DFB-Pokal beim FC Carl Zeiss Jena (5:0) sieht er den Serienmeister auch für die Bundesliga bereit, obwohl die «Ancelotti-Bayern» zu Saisonbeginn wohl erst schemenhaft zu erkennen sein werden. «Bis man von einem hundertprozentigen Eingespieltsein reden kann, dauert es ein bisschen länger», sagte Weltmeister Hummels voraus.

Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)

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