Alle Spiele zeitgleich – große Emotionen inklusive
Berlin – An den letzten zwei Spieltagen der Fußball-Bundesliga finden alle Partien parallel statt: Eine Ausnahme. Ansonsten wird künftig sogar von Freitag bis Montag gespielt. Das stößt nicht nur auf Begeisterung.
Günther Koch brüllte in sein Mikrofon. «Ich pack‘ das nicht. Ich halt‘ das nicht mehr aus. Ich will das nicht mehr sehen.» Wenige Minuten später wurde das Radio-Urgestein wieder zugeschaltet, mit gesenkter Stimme sagte er: «Hallo, hier ist Nürnberg. Wir melden uns vom Abgrund.» Die Ereignisse überschlugen sich an jenem Samstagnachmittag im Mai, und die ARD-Radiosender waren mit ihrer Fußball-Bundesliga-Konferenz live dabei. Am Ende stürzte der 1. FC Nürnberg am 34. Spieltag der Saison 1998/99 noch von Platz 12 auf Rang 16 ab und musste direkt den Gang in die 2. Liga antreten.
Samstag, 15.30 Uhr, neun Spiele zur gleichen Zeit, große Emotionen auf dem schmalen Grat zwischen himmelhoch jauchzend und abgrundtief enttäuscht: Was im Jahr 1999 in einem dramatischen Abstiegsfinale gipfelte, ist jedoch über die Saison die Ausnahme. Nur an den letzten beiden Spieltagen finden die Partien zeitgleich statt. Ansonsten sind die Spieltage über die Jahre immer mehr zerfasert.
An den letzten beiden Spieltagen ist High Noon in der Bundesliga. Für die Radio-Konferenz, die ARD-Sportschau oder den Bezahlsender Sky, deutschlandweit für die Fans in den Stadien und für die Vereine, für die es oft um alles geht: Meisterschale, Europapokal-Teilnahme, Relegation oder direkter Abstieg.
«Die beiden letzten Spieltage der Bundesliga und der 2. Bundesliga sind in jeder Spielklasse gleichzeitig anzusetzen», heißt es in der Spielordnung der Deutschen Fußball Liga (DFL). Das wird mit Wettbewerbsgleichheit begründet. Ausnahmen sind möglich wenn ein Club an einem internationalen Wettbewerb teilnimmt. Wäre Schalke 04 in der Europa League ins Halbfinale gekommen, hätte ihr Spiel gegen den Hamburger SV am 33. Spieltag verlegt werden können.
Als die Bundesliga im Jahr 1963 an den Start ging, wurden die Spiele noch um 17 Uhr angepfiffen, dann um 16 Uhr, erst in der Saison 1967/68 wurde 15.30 Uhr zur Regel – nicht nur an den letzten beiden Spieltagen. Später kamen immer mehr Freitagspiele dazu, seit einigen Jahren Partien am Sonntagnachmittag. Ab der nächsten Saison wird dann auch jeweils fünf Mal am Sonntagmittag und am Montagabend gespielt.
Mit den Montagsspielen sollen die Vereine entlastet werden, die in den europäischen Wettbewerben am Ball sind. Grundsätzlich ermöglicht die immer stärkere Aufsplittung der Spieltage aber auch, mehr Partien lukrativ zu vermarkten. So konnte die DFL mit dem neuen Fernsehvertrag so viel Geld an die Vereine ausschütten wie nie zuvor.
Doch die Zersplitterung der Spieltage löst nicht überall Begeisterung aus. Amateurvertreter monieren, dass vor allem die Anstoßzeit am Sonntagmittag mit ihren Spielterminen kollidiert, und fürchten Zuschauerverluste.
Bei den Anhängern stoßen dagegen vor allem die Spieltermine an Werktagen auf Kritik. Schon vor rund 20 Jahren warb die Faninitiative Pro 15.30 für diese einheitliche Anstoßzeit in der Bundesliga am Samstag und für die Zweite Liga am Sonntag. Heute ist Pro 15.30 weitgehend aufgegangen in ProFans, das sich nicht nur um die Spieltagsproblematik kümmert, wie Sig Zelt von der Initiative sagt.
«Mit Bedauern stellen wir fest, dass unter anderem bei der Festlegung der Anstoßzeiten ausschließlich die Interessen der Fernsehsender berücksichtigt und die Interessen der Fans, vor allem derer, die ihre Mannschaft auch auswärts unterstützen, vernachlässigt werden», erklärt ProFans auf seiner Internet-Seite.
Es sei nicht hinnehmbar, dass Schlachtenbummler an einem Freitag oder Montag Strecken von über 300 Kilometer bewältigen müssten, damit sie ihren Verein auswärts anfeuern können. Man habe ausgerechnet, dass Fans bis zu zehn Tage Urlaub nehmen müssten, um allein die Meisterschaftsspiele einer Saison zu sehen, sagt Zelt.
ProFans fordert die Verantwortlichen auf, «bei den Spielansetzungen und Terminierungen die Interessen der Fußballfans mit einzubeziehen». Damit stößt man jedoch auf weitgehend taube Ohren. «Die DFL hat die Faninteressen zwar mittlerweile im Blick – aber nur an allerletzter Stelle», sagt Zelt. Als Beispiel verweist er auf gemeinsame Gesprächsrunden mit DFL und DFB. «Wir haben viele Jahre daran teilgenommen. Aber wir haben nichts erreicht», sagt er.
Derweil grämt sich Radiolegende Koch noch immer, dass er den Abstieg des Clubs nicht verhindert hat an jenem 34. Spieltag 1999, als alle Partien gleichzeitig stattfanden. «Ich habe in der Halbzeit geahnt, dass da noch was passiert. Alle haben gesagt: „Jetzt spinnt er total, der Alte.“», erzählt der mittlerweile 75-Jährige fast zwei Jahrzehnte später. Fans und Mannschaft wähnten sich in Sicherheit und spielten an dem heißen Tag Sommerfußball – bis die böse Überraschung und der nicht mehr für möglich gehaltene Abstieg besiegelt waren.
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(dpa)