Abenteuer erleben bei einer Kreuzfahrt in der Antarktis
Ushuaia – Es gibt Reisen, und es gibt Reisen in die Antarktis. Mit normalem Urlaub hat eine Kreuzfahrt zum siebten Kontinent wenig gemeinsam.
Durch die Drake-Passage
Die Antarktis muss man sich verdienen, sagen erfahrene Seeleute. Nichts anderes gilt für Touristen: Bevor sie die Antarktische Halbinsel erreichen, steht die Drake-Passage an, die Strecke zwischen Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas und der Antarktis. Kaum sonst irgendwo gibt es so viel Wind und extrem hohe Wellen. In weiser Voraussicht hat auch die Crew der «Le Soléal» der französischen Reederei Ponant gleich nach dem Ablegen in Ushuaia in Argentinien überall in den öffentlichen Bereichen Spucktüten verteilt. An Schlaf ist bei sechs bis sieben Meter hohen Wellen kaum zu denken.
Eisberge in Sicht
Wer entdeckt den ersten Eisberg? In der Drake-Passage gehört dieser Wettbewerb am zweiten Tag einfach dazu. Am späten Vormittag taucht der erste gigantische Block neben dem Schiff auf. Es wird auf dieser Reise nicht der letzte bleiben. Mal sind es kleine Eisschollen, mal kilometerlange, haushohe Berge.
Die Brücke ist offen
Für Kapitän Patrick Marchesseau und seine Offiziere stellen die Eisberge eine besondere Herausforderung dar. Viele Passagen der Reise, zum Beispiel das Weddell-Meer, sind über und über bedeckt mit Eisbergen. Hier gilt es, einen guten Weg hindurch zu finden. Wie das Navigieren funktioniert, können die Passagiere hautnah miterleben. Denn die Brücke ist fast immer für Besucher geöffnet.
Reisen im Expeditionsmodus
Kapitän Marchesseau und Expeditionsleiter Gérard Bodineau haben zwar einen ungefähren Plan, wo sie hinfahren wollen, aber mitunter werfen die Wetter- und Eisverhältnisse diesen über den Haufen. So steht bei dieser Reise beispielsweise am ersten Tag in der Antarktis eine Fahrt durch den spektakulären Lemaire-Kanal auf dem Programm. Doch zahlreiche Eisberge und Nebel blockieren die Einfahrt.
Dafür haben die Passagiere wenige Tage später Expeditionsglück: Das Weddell-Meer zeigt sich gnädig, zwischen den Eisschollen findet die Brückenbesatzung einen Weg bis Snowhill Island. Nur ganz wenige Schiffe schaffen es bis hierher.
Neben Gérard Bodineau gehören 13 weitere Personen zum Expeditionsteam. Gerade ihre Fachkenntnisse machen diese Reise zu etwas Besonderem. Da gibt es zum Beispiel Gletscherforscher, Vogelexperten und Walspezialisten. Pro Tag halten sie mindestens einen Vortrag. Sie sind zuerst an Land und fahren die Zodiacs.
Im Schlauchboot ganz nah ran
Überhaupt die Zodiacs. Auch die Schlauchboote machen den Reiz einer Antarktis-Expedition aus. Anders als bei einer normalen Kreuzfahrt gibt es in der Antarktis keine Häfen und keine Busse an Land. Stattdessen geht es in der Regel zweimal pro Tag in die Zodiacs. Vor der ersten Fahrt ist Staubsaugen an der Kleidung angesagt. Das hat einen guten Grund: Es sollen so wenig Pollen und Samen wie möglich in die Antarktis eingeschleppt werden. Also müssen alle Passagiere ihre Klamotten in einer großangelegten Aktion in der Lounge absaugen.
Je nach Seegang kann die Zodiac-Fahrt ein feuchtes Vergnügen werden – während der Fahrt, aber auch bei den nassen Anlandungen. Meist kann das Zodiac nicht direkt bis an Land fahren. Die Passagiere müssen ein paar Schritte durchs Wasser laufen.
«The Show is outside»
«Wenn wir uns von der Brücke melden, weil wir etwas Besonderes gesehen haben, können Sie entweder weiter beim Essen sitzenbleiben oder sofort nach draußen rennen. Ersteres wäre eine absolute Schande», hat Kapitän Marchesseau die Passagiere gemahnt.
So kommt immer wieder eine Durchsage: Kaiserpinguin auf 1 Uhr, Killerwale direkt neben dem Schiff, Seeleopard auf 9 Uhr. Teilweise traut man sich kaum, sich zum Essen hinzusetzen oder im Fitnessstudio aufs Laufband zu gehen. Selbst zu nachtschlafender Zeit scheut sich der Kapitän nicht, eine Durchsage für das ganze Schiff zu machen, weil die Show draußen einfach großartig ist.
Zu Besuch bei den Pinguinen
Ein lautes Rumpeln weckt die Passagiere am ersten Morgen in der Antarktis. Der Anker wird in Neko Harbour heruntergelassen. Das zweite Geräusch ist das Geschnatter der Pinguine. Rund 1000 Brutpaare leben hier. Etliche Jungtiere sind Mitte Januar schon geschlüpft. Die Eltern kommen gar nicht mehr mit dem Füttern nach.
Die Regeln, die das Expeditionsteam ausgibt, sind einfach: Mindestens fünf Meter Abstand halten und nicht auf den Pfaden stehenbleiben, die sich die Pinguine auf dem Weg zum Wasser gebahnt haben. Neben Eselspinguinen, Adele-Pinguinen und Halsstreifenpinguinen begegnet das Schiff auf dieser Reise auch Kaiserpinguinen – eine absolute Seltenheit, die das Expeditionsteam ins Schwärmen bringt.
Walalarm beim Rindercarpaccio
Die Reise hatte mit einem Paukenschlag begonnen. Kaum hat die «Le Soléal» den Hafen von Ushuaia verlassen, gibt der Kapitän Walalarm. Rindercarpaccio und Sushi müssen warten. Alle drängen sich zu den Fenstern. Besonders spektakulär ist die Walshow in Wilhelmina Bay, wo zur Frühstückszeit vier Buckelwale rund ums Schiff schwimmen.
Am späten Abend folgt der Walhöhepunkt der Reise: Gleich sechs Buckelwale hat Kapitän Marchesseau aufgespürt. Ihre Schwanzflossen sind an diesem Abend das beliebteste Fotomotiv.
Etwas scheuer sind zwei Orcas, die die Crew im Weddell-Meer ausfindig gemacht hat. Dazu gibt es sehr viele Zwergwale. Das Wale zählen gibt man auf einer Antarktiskreuzfahrt schnell auf.
Wenn ein Gletscher abbricht
Zuerst ist ein dumpfes Dröhnen zu hören. Es wird immer lauter. Ein Gletscher in der Cierva Cove, wo die «Le Soléal» an diesem Tag ankert, bricht ab – und zwar ein riesiger Teil. Die Flutwelle erfasst die ganze Bucht. Das Schiff gerät kräftig ins Schwanken. Doch vor allem die von Bord aus gestarteten Kajakfahrer haben zu kämpfen. Einige sind kurz vor dem Kentern, ein Boot spült es auf die Felsen. Erst nach einer Viertelstunde hat sich das Wasser wieder beruhigt.
Champagner auf der Eisscholle
Im Weddell-Meer stoppt das Schiff plötzlich direkt neben einer riesigen Eisscholle. Das Expeditionsteam fährt mit den Zodiacs hinüber und testet die Dicke des Eises. Wenig später gibt es grünes Licht. Alle Passagiere dürfen übersetzen.
Die Crew hat sich etwas Besonderes einfallen lassen: Champagner wird ausgeschenkt, Macarons werden gereicht. Kapitän und Expeditionsleiter lassen sich auf einem Sofa ablichten. Irgendwann zettelt die Crew eine Schneeballschlacht an. Völlig surreal.
Unterwegs im Kajak
Es gibt kaum eine Möglichkeit, der Antarktis näher zu kommen als in einem Kajak. Ausgerüstet mit einem Trockenanzug und Sicherheitsweste geht es in die Boote. Pinguine hüpfen direkt neben den Kajaks aus dem Wasser. Etwas weiter entfernt liegt eine Robbe auf einer Eisscholle. Das Paddeln durch lockeres Packeis ist ein besonderes Erlebnis.
24 Stunden Sonne
Die Bordzeitung liest sich ungewöhnlich: «Kein Sonnenaufgang» und «kein Sonnenuntergang». Mitte Januar, im antarktischen Sommer, geht die Sonne nicht unter. Man steht um Mitternacht auf dem Außendeck und beobachtet einen traumhaften Sonnenuntergang. Nur, dass die Sonne gar nicht richtig unter-, sondern wieder aufgeht. Dieses Farbenspiel ist einer der Gründe, weshalb man diese Reise wohl so schnell nicht vergessen wird.
Fotocredits: Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,dpa-infografik GmbH,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender,Michael Zehender
(dpa/tmn)