Wenn das Kind Motorrad fahren will
Köln/Bonn – Wenn Jugendliche in der Pubertät unbedingt einen Motorradführerschein machen wollen, haben viele Eltern ein ungutes Gefühl.
Doch was tun sie, wenn der Nachwuchs die motorisierte Freiheit auf zwei Rädern erleben will? Ein Verbot ist keine Lösung. Gut informieren, lautet die Devise – und die Kinder begleiten.
Mit der Fahrerlaubnis A1 dürfen Jugendliche ab 16 Jahren Zweiräder mit 125 Kubikzentimeter (ccm) Hubraum und bis zu 11 kW/15 PS fahren. Den Führerschein-Unterricht dürfen sie mit 15,5 Jahren beginnen, das Dokument bekommen sie aber frühestens am 16. Geburtstag.
Der sogenannte kleine Motorradführerschein kostet je nach Region und Zahl der Fahrstunden durchaus bis zu 2000 Euro. «Das klingt teuer», sagt Kurt Bartels vom Fahrlehrerverband Nordrhein. Aber es sei eine Komplettausbildung, die etwa auch Fahrten in Dunkelheit oder auf der Autobahn beinhaltet. Ein Vorteil: Fängt man ein Jahr später an, den Autoführerschein (Klasse B) zu machen, hat man bereits Fahrpraxis – und benötigt in der Regel weniger Fahrstunden.
Die beste Fahrschule
Die beste Fahrschule finden Schüler zum einen durch persönliche Empfehlungen von Freunden oder Bekannten. Zum anderen gibt es ein paar objektive Kriterien:
«Von Vorteil ist es, wenn der Fahrlehrer in den ersten Fahrstunden seinen Schüler mit einem eigenen Motorrad begleitet und nicht im Auto hinterher fährt», sagt Bartels.
«Gut sind diejenigen Fahrschulen, die eine gewisse Affinität zu Motorrädern haben», bestätigt auch Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Das bekommen Jugendliche aus seiner Erfahrung meist nur durch Berichte von anderen Fahrschülern mit. Eltern könnten im Freundes- oder Kollegenkreis nach Tipps für Fahrschulen fragen, die für ihre Kinder in Frage kommen.
Im jugendlichen Alter entwickelt sich laut Bente das Gefahrenbewusstsein für den Straßenverkehr erst. «Junge Fahrer müssen deshalb intensiv geschult werden, damit sie immer mit der Dummheit aller anderen Verkehrsteilnehmer rechnen», sagt der Experte.
Fahrsicherheit
Das Thema Fahrsicherheit sollte im Unterricht also ganz besonders im Fokus stehen. Dazu zählt das Bewusstsein für defensives Fahren ebenso wie falsch eingeschätzte Geschwindigkeit – und Sturzgefahr. «In einem guten Unterricht wird dem Fahrschüler der Indianerblick beigebracht: alles sehen und Gefahren frühzeitig erkennen», erklärt Bartels.
Bevor sich Schüler zum Unterricht anmelden, sollten sie sich das Fahrschulmotorrad zeigen lassen und Probe sitzen. «Die Sitzposition muss bequem sein und der Fahrer muss mit beiden Füßen vollständig den Boden berühren», sagt Bartels. Das Fahrsicherheitssystem ABS für 125ccm-Maschinen bietet einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor.
Die Schutzkleidung sollte passen und in gutem Zustand sein. Dazu zählen Helm, Stiefel, Hose, Handschuhe und Jacke mit integriertem Rückenprotektor. Am besten sei es, wenn der Fahrer sie selbst schon hat und mitbringt, so Bartels. «Denn diese passt einwandfrei.» Dafür muss man allerdings mehrere Hundert Euro einkalkulieren. Wer das Geld nicht hat, dem stellen die Fahrschulen die Ausrüstung.
Motorradfahrer leben gefährlich
Trotz sinkender Unfallzahlen leben Motorradfahrer gefährlich, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Im Jahr 2017 kamen 3180 Menschen auf deutschen Straßen ums Leben, davon 624 Motorradfahrer – obwohl sie nur einen kleinen Teil des Verkehrsaufkommens ausmachen. Vorläufige Zahlen zeigten bereits, dass 2018 noch einmal mehr Biker tödlich verunglückt sind. Eine gute Ausbildung für junge Motorradfahrer ist also zwingend notwendig.
Bartels rät Eltern, bei den Anmeldegesprächen dabei zu sein. Manche Fahrlehrer bieten ihnen zudem an, sie bei Fahrstunden zu begleiten. «Sobald junge Menschen aufs Motorrad steigen, haben sie aber einen natürlichen Respekt», berichtet Bartels. «Sie sitzen allein drauf, erkennen die Gefahren und sind meist hochmotiviert, das Motorradfahren vernünftig zu lernen.»
Typische Einsteigermaschinen in der 125ccm-Klasse sind die Honda CB 125, Honda MSX 125, KTM 125 Duke, Yamaha YZF-R 125, Yamaha MT-125 und Vespa Sprint 125. Bei neueren Maschinen zählt das Antiblockiersystem ABS zum Serienumfang, eine Traktionskontrolle ist nach Meinung der Experten aber wegen der geringen Leistung nicht erforderlich. Sie verringert das Risiko durchdrehender Reifen beim Beschleunigen, wodurch das Heck ausbrechen kann (Highsider-Stürze).
Am wichtigsten ist bei allen Maschinen die Sitzposition. Der Fahrer muss mit der Maschine gut zurechtkommen und entspannt fahren können, also angstfrei und mit Spaß an der Sache.
Wenn ein Schüler Angst hat
Wenn ein Fahrschüler Angst vor dem Motorradfahren hat, solle er es lieber lassen oder sich damit intensiv auseinandersetzen. «Ängste zu ignorieren, ist schlecht, da man sie nicht verdrängen kann. Wer damit Motorrad fährt, handelt unvernünftig», erklärt Daniela Rechberger, Diplom-Psychologin und MPU-Beraterin aus Köln.
Gesunder Respekt vor Motorrad und Verkehr ist dagegen gar nicht schlimm. Im Rahmen der Fahrschulausbildung sollten Fahrschüler mit ihrem Fahrlehrer darüber intensiv sprechen. «Eine Auseinandersetzung mit den Gefahren ist wichtig, um sie richtig einschätzen zu können.»
Eltern rät Rechberger, sich ebenfalls mit der Fahrschule zu beschäftigen und vielleicht selbst ein paar Fahrstunden zu nehmen. Ihre Kinder könnten sie außerdem unterstützen, indem sie weiter über die Gefahren sprechen und ihnen etwa nach der bestandenen Prüfung ein Fahrsicherheitstraining spendieren. Ihnen zu verbieten, den Führerschein zu machen, sei dagegen wenig hilfreich.
Fotocredits: Lukas Schulze,Kai Remmers,BV der Fahrlehrerverbände,DVR
(dpa/tmn)