Wintersport-Nationen und Exoten: Wirklich Weltspiele?
Pyeongchang – Erstmals sind sogar Sportler aus dem heißen Eritrea, Nigeria und Malaysia dabei. Insgesamt kommen sogar 2900 Teilnehmer aus 92 Nationen – und trotzdem ist die Frage: Trifft sich bei den olympischen Winterspielen in Pyeongchang tatsächlich die Jugend der Welt, wie es heißt?
Oder ist es nur eine elitäre Veranstaltung einiger Länder, wo es Schnee und Eis gibt – aufgepeppt durch ein paar Exoten? Die Türkei beispielsweise schickt gerade mal acht Sportler nach Südkorea, darunter einen, der nur durch seine Herkunft bei der Vierschanzentournee für Aufsehen sorgte: Fatih Arda İpcioğlu konnte sich vor Interview-Anfragen kaum retten und genoss den Rummel sichtlich: «Es fühlt sich großartig an, hier zu sein.» Ansonsten an der Schanze: Norweger, Österreicher, Finnen, Deutsche, Österreicher, Slowenen, Polen. Amerika ist – weniger erfolgreich – durch die USA vertreten, Asien – etwas erfolgreicher – durch Japan.
Beim Eishockey ist Südkorea mit seiner Wildcard schon ein Exot, ansonsten flitzen nur Teams aus Europa und Nordamerika hinterm Puck her. Beim in Deutschland so populären Biathlon ist der Gastgeber mit einem Sechs-Mann-Team vertreten, davon sind allerdings drei eingebürgerte Russen. Starter aus Lateinamerika, Afrika und Ozeanien – Fehlanzeige. Eisschnelllauf ist in Afrika und Südamerika etwa so populär wie hierzulande das vielzitierte Hallen-Halma. Und für Exoten liegen die Qualifikationsnormen einfach zu hoch.
Deutschlands «Sportler des Jahres» Johannes Rydzek kommt aus einer Disziplin, bei deren Weltcup-Wettbewerben gerade mal 15 Nationen am Start sind, davon 13 aus Europa. Selbst in der Schweiz gibt es nur einen Nordischen Kombinierer auf internationalem Niveau: Tim Hug finanziert seinen Sport allerdings mehr oder weniger selbst.
Rodeln wird weltweit nur von etwa einem Dutzend Nationen ernsthaft betrieben. Auch der Bobsport findet – alleine schon mangels Material und Eiskanälen – international nur ein begrenztes Interesse. In Pyeongchang startet allerdings neben einem Team aus Nigeria 30 Jahre nach dem berühmten Auftritts des jamaikanischen Vierers erstmals ein Frauenteam von der Karibikinsel. Sandra Kiriasis, die dreimalige Weltmeisterin aus Sachsen, trainiert Pilotin Jazmine Fenlator-Victorian und Anschieberin Carrie Russell.
«Cool Runnings», der Kultfilm um den Bob von Calgary 1988, hatte alleine im Kino über 150 Millionen US-Dollar eingespielt. Dudley Stokes, der Pilot von damals und heute ein Art Mädchen für alles beim neuen Team Jamaika, erklärte, das man mittlerweile in den «german mode» («deutschen Modus») gewechselt sei: «Arbeiten, arbeiten, arbeiten! Wir haben uns eine andere Einstellung verschafft», sagte der 54-Jährige der «Süddeutschen Zeitung».
Im Ski alpin gilt schon der britische Slalom-Spezialist Dave Ryding als Exot. Allerdings wird während Olympia wohl öfter Sabrina Simader im Fernsehen zu sehen sein: Die 19 Jahre alte, in Österreich aufgewachsene Speed-Fahrerin ist die erste Frau Kenias bei Winterspielen; bislang hatte sich nur der frühere Mittelstreckenläufer Philip Boit 1998, 2002 und 2006 in die Loipe gestürzt. «Am Anfang haben mich alle angestarrt – okay, eine dunkelhäutige Skifahrerin erregt immer Aufmerksamkeit. Aber als meine Rennen besser wurden, war das vorbei», sagte Simader.
An einer Ausdauersportart wie Langlauf versuchen sich inzwischen auch Nationen wie Ekuador (mit Klaus Jungbluth Rodriguez) und Tonga: Pita Taufatofua war bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro noch im Taekwondo angetreten. Im Skeleton geht Akwasi Frimpong für sein Geburtsland Ghana an den Start, der einst als illegaler Einwanderer in den Niederlanden lebte.
Durch Sportler-Importe verschieben sich die Grenzen ohnehin: So hat sich Israel mit Sportlern aus ehemaligen Sowjetrepubliken zu einer Eiskunstlauf-Nation gemausert. Einen Medaillensegen für Wintersport-Nationen außerhalb von Nordamerika, Europa und vereinzelt Asien wird aber auch Pyeongchang nicht erleben.
Fotocredits: Jussi Nukari
(dpa)