Mainzer Nicht-Abstiegsparty mit Verspätung
Mainz – Die große Mainzer Nicht-Abstiegsparty begann mit genau 28 Minuten Verspätung. Erst, als auch das zeitweise unterbrochene Spiel des VfL Wolfsburg vorbei war, stürmten alle auf den Rasen. Die Fans kamen von den Tribünen geklettert, die Spieler teilweise aus der Kabine gerannt.
Und mittendrin in dem ganzen Trubel: der Sportdirektor Rouven Schröder mit einem Glas Bier in der Hand. «Das ist die pure Erleichterung», sagte er nach einem spektakulären Derby gegen Eintracht Frankfurt, in dem die Mainzer aus einem 0:2-Rückstand noch einen 4:2 (0:1)-Sieg gemacht hatten. «Dafür ist man Sportler, dafür arbeitet man. Heute will ich nur noch planen, was ich trinke.»
Rein rechnerisch kann der Tabellen-13. am letzten Spieltag immer noch auf den Relegationsplatz zurückfallen. Doch für derart theoretische Konstellationen hat sich ein früherer Trainer von Real Madrid mal einen schönen Spruch einfallen lassen: «Eher fliegt ein Schwein über das Bernabeu-Stadion.» Dafür müssten die Mainzer beim 1. FC Köln verlieren und die Wolfsburger beim Hamburger SV. Außerdem müsste die Mainzer Niederlage um mindestens neun Tore höher ausfallen als die der «Wölfe». «Das wird nicht passieren», sagte Schröder.
Der Sportdirektor arbeitet erst seit einem Jahr für den 1. FSV 05. Trotzdem ist der Verein, der da am Samstag so ausgelassen feierte, mittlerweile ein anderer als der, bei dem Schröder im Mai 2016 begann. Der neue Sportchef musste das Mainzer Manager-Denkmal Christian Heidel ersetzen und die Affäre um den scheidenden Dauer-Präsidenten Harald Strutz moderieren. Die Saison begann für den Club in der Europa League und endet im Abstiegskampf – trotzdem hielt vor allem Schröder an seinem Trainer Martin Schmidt fest.
Am Samstag zeigte der Sportdirektor auf all die feiernden Fans und sagte: «Genau da muss der Verein wieder hin. Das ist wie ein neuer Anfang und ein kleiner Aufbruch für uns. Das zeigt den Leuten: Es geht hier auch mit neuen Gesichtern und einem neuen Geist voran.»
Auch Schmidt wurde nach diesem Erlebnis grundsätzlich. «Ich muss mich bei dem Verein bedanken, dass er mir das Vertrauen geschenkt hat. Dieses Vertrauen habe ich an die Spieler weitergegeben», sagte der Trainer. Das sei auch ein Zeichen «an die ganze Liga: Dass man nicht immer den Trainer wechseln muss, wenn etwas nicht läuft. Ruhe, Vertrauen und eine Strategie müssen über allem stehen.»
Wie es nun in Mainz weitergeht, ist offen. Schmidts Vertrag mit dem Verein hat noch eine Laufzeit bis 2018, die Jobgarantie wurde ihm aber immer nur bis zum Ende dieser Saison ausgesprochen. Gegen seinen Verbleib spricht die Gesamtentwicklung der vergangenen Monate. Für seinen Verbleib, was Schmidt und Schröder allein an diesem hochspannenden Samstagnachmittag gemeinsam durchlitten haben.
16.36 Uhr: Frankfurt liegt nach Toren von Branimir Hrgota (42.) und Haris Seferovic (50.) mit 2:0 vorn. «Du sitzt auf der Bank und dir schießt alles durch den Kopf», sagte Schröder hinterher.
17.02 Uhr: Mainz dreht das Spiel durch Tore von Jhon Cordoba (60.), Stefan Bell (62.) und Yoshinori Muto (77.), später schießt Pablo De Blasis per Foulelfmeter sogar noch das 4:2 (90.+3). «Das war für uns die völlige Ekstase», meinte der Sportchef.
17.23 Uhr: Der Derby-Sieg ist perfekt. Aber jeder weiß: Was genau er wert ist, wird sich erst nach dem Abpfiff in Wolfsburg zeigen. Durch das Stadion wabert die Falschmeldung, der HSV habe mit 1:2 verloren, das hätte bedeutet: Mainz kann nichts mehr passieren. Danach geht die Angst um, Wolfsburg könne noch gewinnen, denn das hätte bedeutet: Mainz muss weiter zittern. «Das Warten war brutal», sagte Schmidt. «Das waren die schlimmsten Minuten, die ich als Trainer erlebt habe.»
17.51 Uhr: Schluss in Wolfsburg, Jubel in Mainz. Und Schmidt sagt: «Die Party wird größer als nach dem Erreichen der Europa League.»
Fotocredits: Thomas Frey
(dpa)