Mini-Golf mit Kaymer – Abschlag am Nationalpark in Rio
Rio de Janeiro (dpa) – Beim ersten olympischen Golfturnier seit 112 Jahren trägt Gold-Hoffnung Martin Kaymer ein rotes Poloshirt mit schwarzem Bundesadler.
Und Team Germany dankt es ihm auf dem umstrittenen Golfplatz am Nationalpark Marapendi: Ex-Handballtrainer Heiner Brand ist da, auch Fahnenträger Timo Boll mit seinen Tischtennis-Kollegen. Patrick Franziska macht ein Selfie. Dann schwingt Kaymer kurz die Hüfte, schlägt ab, und der Ball zischt los. «Hast du ihn gesehen?», fragt jemand. «Ja, der war gut.»
Ein paar Dutzend Zuschauer begleiten Kaymers Gruppe beim historischen Golf-Comeback, unterstützen den 31-Jährigen aus Mettmann mit «Deutschland»-Rufen und schwarz-rot-goldenen Hawaii-Blumenketten. «Mann, das ist wie der Ryder Cup», sagt einer der Fans zu einem Amerikaner. Das sieht längst nicht jeder so.
Bis die olympischen Golfer auf dem neuen Platz in Rio in der Nähe des Atlantiks abschlagen konnten, mussten sie Kritik und Häme über sich ergehen lassen. Umweltschützer hatten gegen den Bau der Anlage geklagt, weil sie langfristige Schäden an der tropischen Natur befürchteten. Immerhin sind in der Nähe riesige Nager und krokodilähnliche Kaimane gesichtet worden. Und viele Top-Golfer blieben dem Turnier fern, weil sie die langfristigen Vorteile für ihre Sportart nicht sehen wollten. Von den Top 50 der Welt nehmen bei den Männern nur 17 den Schläger in die Hand.
Vor allem die harschen Worte von Rory McIlroy hängen den anderen Golfern nach. Olympia werde er schon schauen, sagte der Nordire. Allerdings: «Leichtathletik, Schwimmen und Wasserspringen – Dinge, die wichtig sind.» Offiziell begründeten die meisten ihre Absage mit dem Zika-Virus.
Gegolft wird trotzdem. Der Platz ist ein welliges Grün, dazwischen ein paar Sträucher, ein paar Stahlgerüste. Der Blick auf die mit Regenwald bewachsenen Berge wird teils von Luxusapartments versperrt. «Stellen Sie sich vor: Ein Golfplatz im Vorgarten Ihres Hauses», steht auf großen Werbetafeln an der Anfahrt. Der Immobilienmogul Pascuale Mauro soll das Bauland unter dubiosen Umständen bekommen haben – noch so ein Misston vor dem Golf-Comeback.
Kaymer sprüht dennoch vor Begeisterung über Olympia. Seine Jahresplanung hatte er ganz auf Rio ausgerichtet, nach der Eröffnungsfeier sagte er, bei der Nationalhymne habe er «fast Tränen in den Augen» gehabt. Staunend lief er durchs olympische Dorf, vorbei an Rugbyspielern und Leichtathleten.
Aber Erlebnis hin oder her: Eine Medaille soll es für den zweimaligen Majorsieger schon auch sein. «Going for Gold» prangt als Motto seit Tagen auf seiner Facebook-Seite. Neben der Absage der Topstars könnte es ein Vorteil sein, dass niemand den neuen Golfplatz sportlich wirklich einschätzen konnte. «So eine Art von Golfplatz habe ich auch noch nicht gespielt», sagte Kaymer.
Selbst der 45 Jahre alte Alex Cejka, zweiter deutscher Starter und Nummer 119 der Welt, macht sich deshalb Medaillen-Hoffnungen: «Die Vorstellung auf dem Treppchen zu stehen und die deutsche Hymne zu hören, ist einfach unglaublich.»
Einige Favoriten gibt es dennoch. Den Amerikaner Bubba Watson etwa, der in einem Flight mit Kaymer antrat, und dessen Landsmann Rickie Fowler. Das hätte Tradition: Neun der bisher zwölf vergebenen Medaillen im olympischen Golf gingen an die USA. Auch Henrik Stenson aus Schweden hat gute Karten. «Es wird oft geschrieben «Die Guten sind nicht da, wird ja wohl nicht so schwer sein». Aber es sind trotzdem viele gute Spieler am Start», meinte Kaymer vor Beginn.
Fehlenden Luxus im olympischen Dorf nimmt der 31-Jährige für das Turnier gerne in Kauf. «Gut, die Klamotten liegen halt auf dem Boden, das Wasser wird auch nicht immer warm», berichtete er nach den ersten Nächten. «Das ist aber auch ganz gut für den Kreislauf. Hier kommst du gut auf den Boden zurück.» Die Hoffnung auf eine Medaille ist ihm Entschädigung genug. Und wenn nicht jetzt, vielleicht 2020 in Tokio?
Das ist mehr als fraglich – denn dem Golfsport droht schon die nächste Olympia-Auszeit. «Eine der Hauptkategorien für die Evaluation ist natürlich die Frage, ob die besten Spieler dabei sind», hatte IOC-Präsident Thomas Bach bereits vor dem ersten Abschlag gewarnt.
Fotocredits: Lukas Schulze
(dpa)