Rekord-Jagd interessiert die Dressur-Königin nicht
Rio de Janeiro – Isabell Werth kann olympische Geschichte schreiben – aber das ist ihr ziemlich egal.
«Es hört sich vielleicht blöd an, aber für Statistiken habe ich wenig übrig», sagt die fünfmalige Reit-Olympiasiegerin vor Beginn der Dressur-Wettbewerbe in Rio de Janeiro. «Ich weiß nicht, wo ich auf welcher Liste stehe», versichert die 47-Jährige aus Rheinberg: «Das ist für mich nicht wichtig.»
Noch liegt sie in der Rekordliste hinter dem legendären Reiner Klimke. Mit einer sechsten Goldmedaille, die mit dem favorisierten deutschen Team wahrscheinlich ist, würde Werth vorbeiziehen. Sie wäre dann mit sechs goldenen und drei silbernen Medaillen die Nummer eins des olympischen Pferdesports.
Begonnen hat die glänzende Karriere von Werth vor 24 Jahren in Barcelona. Der berühmte Gigolo trug die damals 23-Jährige zur ersten Goldmedaille mit dem deutschen Team. Vier Jahre später in Atlanta gab es sogar Doppel-Gold.
Den bisher letzten Olympiasieg feierte Werth 2008 in Hongkong mit dem Team. Dort schien sie im Einzel schon auf dem Weg zum sechsten Gold, doch dann flippte Satchmo im Viereck kurz aus. Es reichte noch zu Silber. Der Rekord aber blieb bei Klimke, der 1999 verstorben ist.
«Es ist auch ohne Zahlen schön, darauf zurückzublicken», sagt Werth zu ihrer bemerkenswerten Serie von Erfolgen, zu der auch sieben goldene WM-Medaillen gehören. Grinsend fügt sie an: «Nichts ist älter als der Erfolg von gestern.»
Medaillen seien nicht ihr Ehrgeiz. «Wichtig ist für mich die Ausbildung von Pferden, dass ich sie in den Sport bringe», erklärt die 47-Jährige. «Ich habe eine Vision bei einem jungen Pferd und will sehen, ob sie sich bewahrheitet. Das macht mir Spaß.»
Bei Weihegold könnte das der Fall sein. Mit drei Jahren kam die Stute in den Stall von Werth, wurde von ihr und einer Angestellten ausgebildet. Dabei war die elfjährige Stute nicht erste Wahl für Rio, sondern nur dritte. Bella Rose hieß Werths Favoritin. Doch die Stute war viele Monate verletzt, ein Start in Brasilien unmöglich.
«Der Ausfall von Bella hat mich tief getroffen», räumt Werth ein. «Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Ich musste den Kopf wieder frei bekommen.» Werth ist ein sehr emotionaler Mensch. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. Aber keine andere Reiterin kann auch so hemmungslos weinen.
Trotz des Ersatzpferdes ist für Werth die Zielsetzung klar. «Wir haben eine super-starke Mannschaft, wir sind super aufgestellt», sagt die erfahrenste Reiterin des deutschen Quartetts. «Unser Anspruch kann es nur sein, um Gold zu kämpfen.»
Ihre Teamkollegen bewundern die Reiterin, die sie augenzwinkernd «unsere Mutti» nennen. «Sie ist einfach gigantisch», schwärmt Kristina Sprehe-Bröring: «Wir haben alle einen Heiden-Respekt vor ihr.» Die 29-Jährige ist sich sicher: «Ihre Erfolge sind einfach überragend – ich schaffe das nicht mehr.»
Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)