Tränenreicher Schwimm-Start – Lambertz kritisiert
Rio de Janeiro – Frust und Tränen zum Start in die olympischen Schwimm-Wettbewerbe mit reihenweise Vorlauf-Pleiten erinnern frappierend an den Beginn des Debakels von London.
Zwar sind die deutschen Auftritte vom Samstag zunächst eine Momentaufnahme, eines aber unterstreichen die ersten Enttäuschungen in Rio de Janeiro allemal: Der von Chefbundestrainer Henning Lambertz anvisierte Weg zurück in die Weltspitze bis Olympia 2020 in Tokio ist weit.
«Es sind individuelle Fehler, die gemacht worden sind», rügte Lambertz. Er will zur Halbzeit seiner Amtszeit nach dem ersten von acht Wettkampftagen noch keinen Negativtrend fürs Becken-Team erkennen. Jetzt zu «pauschalisieren» sei «Quatsch». «Jetzt müssen wir eine andere Qualität zeigen, ein bisschen das Kämpferherz rausholen und das Ding umdrehen.»
Nach Olympia fehlen dann trotz Leistungsträgern wie Weltmeister Marco Koch oder Franziska Hentke die Qualitäten von Biedermann, der am Sonntag in das olympische Geschehen startete. Über 200 Meter Freistil ist ein Schwimmer mit Biedermanns Qualitäten noch in Sicht. Über 400 Meter Freistil hat der 21-jährige Florian Vogel, der nur um sechs Hundertstelsekunden wie bei der WM als Neunter am Finale vorbei schwamm, bei seinen ersten Sommerspielen zumindest weitere wichtige Erfahrungen sammeln können. Vogel blieb über der persönlichen Bestzeit, wie auch Christian vom Lehn. Der Essener hatte über 100 Meter Brust als einziger deutscher die Vorläufe des Samstags überstanden. Er scheiterte erwartungsgemäß im Halbfinale.
Jacob Heidtmann durfte sich wenige Augenblicke im Finale über 400 Meter Lagen wähnen. Der WM-Fünfte schwamm in 4:11,85 Minuten zwar schneller als bei seinem ein Jahr alten deutschen Rekord (4:12,08), wurde aber wegen eines Fehlers bei der Brustwende disqualifiziert. Statt als Fünftbester ins Finale einzuziehen, vergoss der Elmshorner Tränen. «Ich habe selten sportlich so etwas Trauriges erlebt», sagte Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen voller Mitgefühl.
Der 21-Jährige wurde von Lambertz mit dem Auftrag Frustabbau in die Unterkunft geschickt. «Ich habe ihm gesagt, er soll ins olympische Dorf zurückfahren, soll sich etwas nehmen, was aus Pappe und nicht teuer ist, und das kaputt machen», sagte der Chef.
Noch vier Jahre jünger als Heidtmannn ist Johannes Hintze. Er blieb bei seinem Großereignis-Debüt in 4:18,25 Minuten klar über der persönlichen Bestzeit (4:14,72). Besondere Milde beim mit 17 Jahren jüngsten deutschen Olympia-Schwimmer seit 40 Jahren ließ Lambertz nicht gelten. Zwar sollte Hintze Wettkampferfahrung sammeln, doch das Ausnahmetalent hat noch einen Reifeprozess zu durchlaufen. Hintze, der 2015 über 400 Meter Lagen fast genauso schnell wie Michael Phelps als 15-Jähriger schwamm, suchte in Rio etwa an einem Trainingstag das falsche Becken auf. «Er war sehr fahrig und sehr hektisch», schilderte Lambertz.
Deutlich sprach der Chefbundestrainer auch die «individuellen Verbesserungsmöglichkeiten im Tagesablauf» von Alexandra Wenk an. Die Münchnerin schwamm in 58,49 Sekunden klar langsamer als bei ihrem deutschen Rekord von 57,70 im Mai. Die Strahlefrau, die wie Heidtmann wortlos durch die Interviewzone huschte, hatte sich laut Lambertz nicht – wie von der Teamleitung angeraten – exakt an den verschobenen Tagesrhythmus angepasst.
Er könne nicht 27 Athleten kontrollieren, sondern nur Empfehlungen geben, sagte Lambertz. Stunden nach der Enttäuschung meldete sich Wenk in den sozialen Netzwerken zu Wort. «Es ist definitiv nicht Zeit, jetzt traurig zu sein, sondern nach dem sechsten Mal hinfallen ein siebtes Mal aufzustehen», schrieb die WM-Siebte.
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(dpa)