50 Jahre AMG: Vollgas von Anfang an
Affalterbach – Als Mercedes 1964 den Ausstieg aus dem Motorsport beschließt, bricht für Hans Werner Aufrecht eine Welt zusammen. Denn nichts war dem Ingenieur lieber und wichtiger als der Bau von Rennmotoren.
Statt sich in den Vorstandsbeschluss zu fügen, nimmt er in Stuttgart seinen Hut und gründet mit Erhard Melcher 1967 in Burgstall ein «Ingenieurbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren», das er nach den Anfangsbuchstaben der beiden Inhaber und seinem Geburtsort Großaspach AMG nennt. Damit kreieren die beiden vor 50 Jahren ein Kürzel, das bei Schnellfahrern bis heute einen Ruf hat wie Donnerhall.
Den erarbeiten sich die beiden schnellen Schwaben erstmals 1971, als sie mit einem wegen seines auffälligen Lacks und seines stolzen Formats ehrfürchtig als «Rote Sau» bezeichneten AMG 300 SEL 6.8 beim 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps souverän den Klassensieg erringen und im Gesamtklassement auf Rang zwei fahren.
Zwar sind Aufrecht und Melcher mit dieser Limousine auf der Rennstrecke aus dem Stand überraschend erfolgreich. Doch merken die beiden schnell, dass ihrer Arbeit ein breiteres Interesse widerfährt. Sie beschließen deshalb auch das Tuning für Mercedes-Straßenfahrzeuge.
Ihr buchstäblich größtes Pfund ist dafür ein V8 mit bis zu 6.0 Litern Hubraum und eigenem Zylinderkopf, den sie ab 1986 nicht nur in die S- sondern zwei Jahre später auch in die E-Klasse bauen und damit vollends den Durchbruch schaffen. Denn in Luxuslimousinen und Sportwagen der Zeit mögen Achtzylinder gang und gäbe sein. Doch einer braven und biederen Baureihe wie dem W 124 hat man so ein Kraftpaket nicht zugetraut, in der Serie ist bei 162 kW/220 PS Schluss.
Der auf sechs Liter aufgebohrte und nur mit Mühe unter die Motorhaube von Limousine und Coupé gequetschte Achtzylinder von AMG indes leistet bis zu 283 kW/385 PS und kommt auf ein damals schier unvorstellbares maximales Drehmoment von 566 Nm. Damit erreicht der Wagen aus dem Stand in kaum fünf Sekunden Tempo 100. Und die Nadel auf dem nicht ohne Grund bis 340 km/h reichenden Tacho schwingt flüssig bis auf einen Spitzenwert knapp unter 300 Sachen. 289 km/h Spitze machen ihn zum Spitzentrumpf in jedem Autoquartett.
Aufrecht und Melcher haben nicht nur den Kühler schwarz eingefärbt, die Frontschürze bis weit auf den Asphalt gezogen und einen Flügel ans Heck geklebt. Sondern um die imposanten Tiefbettfelgen mit den 265er-Reifen in die hinteren Radhäuser zu bekommen, haben sie die Kotflügel weit ausgestellt.
Die Konkurrenz ist chancenlos, die Kunden sind sprachlos, und die US-Medien jubeln den 124er aus der mittlerweile nach Affalterbach umgezogenen Firma zum «Hammer» hoch. Schon damals unbezahlbar und mit Preisen von rund 335 000 Mark so teuer wie 20 VW Golf, ist der laut Mercedes Classic-Abteilung nur wenige hundert Mal gebaute «Hammer» heute quasi überhaupt nicht mehr zu bekommen. Wird mal einer versteigert, zahlt man dafür Unsummen.
Für Fans und Sammler ist das schade. Aber Männer wie Tobias Moers, der das 1990 über einen Kooperationsvertrag an Mercedes gebundene und 1999 vollends einverleibte Unternehmen derzeit führt, wird das gleich doppelt freuen. Zum einen, weil es beweist, welcher Aufstieg AMG gelungen ist und welche Anerkennung die Marke mittlerweile hat. Und zum anderen, weil er lieber neue Autos verkauft – und zwar mehr denn je.
Das gilt für die Stückzahlen genauso wie für die Modellreihen. Denn von der A- bis zur S-Klasse gibt es mittlerweile bald zwei Dutzend Fahrzeuge mit AMG-Logo und Acht- oder Zwölfzylinder-Motoren, die sogenannten Performance-Modelle der 43er-Reihen mit ihren V6-Triebwerken und die kompakten 45er noch gar nicht mitgerechnet.
Pünktlich zum runden Geburtstag plant AMG nun aber den nächsten Coup und präsentiert im September auf der IAA in Frankfurt einen Supersportwagen mit so abgehobenen Eckdaten, dass Moers schon vom Hypercar spricht. Nachdem AMG sich mit SLS und GT in die Liga von Porsche & Co aufgeschwungen hat, müssen bei mehr als 735 kW/1000 PS, über 350 km/h und mehr etwa 2,8 Millionen Euro Grundpreis nun auch Ferrari & Bugatti zittern.
So richtig viele Details will Moers zu dem direkt vom Formel-1-Rennwagen abgeleiteten «Project One» noch nicht verraten. Doch so viel ist jetzt schon sicher: «Das Auto wird ein Hammer.» Aber das hat bei AMG ja eine gewisse Tradition.
Fotocredits: Tschovikov,Tschovikov,Daimler AG,Tschovikov,Tschovikov,Tschovikov,Daimler AG,Daimler AG
(dpa/tmn)